Selbstbild-Grundkonfiguration für Gen X: Wir durchschauen die Phoniness der kranken traurigen Welt, wir wissen, daß das System unseren Widerstand co-opten wird, aber wir finden Wege, unseren Stolz zu wahren: Wir sind keine Sellouts, und wir finden Sellouts immer noch traurig.
Mit „ja nichts ist okay“ und dem Tod Polleschs ist die Unhaltbarkeit dieser Disposition offenbar geworden.
Das sensationell lustige nervös-souveräne Distanzhalten, das seine Texte ausgemacht hat und gewissermaßen die höchste und schlauste Verfeinerung des Gen-X-Außenvorseins war, ist unmöglich geworden in einer Welt, in der mächtigere Gegner auftauchen als das System. Polleschs letztes Stück beklagt das, und das ist schwer zu ertragen, weil bequem und falsch.
Das System war — jetzt, im Nachhinein, sieht man es — zwar ein formidabler Gegner, weil es immer gewonnen hat, es meinte es aber, eindeutig, gut mit uns. Die neuen Gegner meinen es nicht gut. Sie wollen uns nicht dazu kriegen, unsere Seele an einen Job zu verkaufen, der zwar den Künstler in uns tötet, aber unsere Kinder ernährt: Sie wollen ganz unmetaphorisch wirklich töten. Die neuen Gegner haben Berlin noch nicht erreicht, und drum spricht der alte Volksbühnentext sich noch eine Weile weiter als wäre nichts: als sei die Unmöglichkeit, sich noch zu unterhalten ohne Aggression ein mediales Problem der Kommunikationsausrüstung der Sprechenden und nicht eins davon, daß in den neuen WG-Diskussionen über Politik eine Seite eben die ghulische Seite wählt und sagt: Die hatten ein Recht, diesen Krieg anzufangen, der wahre Agressor ist immer der Westen, dem Westen mit Blut, echter Mordlust und Lügen entgegenzutreten ist legitim, und was die Ghule eben noch so alles sagen.
Gen-Xer gehören nicht dazu: Das Nichtdazugehören ist unsere zweite Natur. Wir gehören nicht zu jenen und nicht zu diesen. Wir bestimmen unsere Außengrenzen über die Außengrenzen der Falschdenker: Wir weichen zurück dorthin, wo die anderen nicht hindenken können. Manche von uns waren bis heute sehr gut darin, aktiv Außenseiter zu bleiben. Und jetzt macht wirkliche Gewalt die Räume dicht, die die angebliche Gewalt des Indie-Kapitals eben doch gelassen hatte: Wir müssen uns, endlich, bekennen, sagen wer wir sind und wo wir dazugehören.
Kein päpstlicher Aufruf zur friedlichen Kommunikation erlöst uns von dieser Pflicht: Ich bin spalanzani und wer bist Du? ist die falsche Frage, denn Du hast dich längst erklärt (ich hab nur Deine Manifeste nicht gelesen, weil ich sie nicht wahrhaben wollte) und Du hast an mir nur Interesse, weil Du meine Schwächen kennen musst. Die Kommunikation, die Du von mir willst, ist die Kapitulation.
Die richtige Frage ist Ich bin spalanzani und wo sind meine Leute? — denn wer immer meine Leute sind, ich hatte gelernt sie zu übersehen und beiläufig vor den Kopf zu stoßen wie wir alle, die geheimen Aristokraten des Grunge. Und jetzt sind wir ratlos und haben nie gelernt dazuzugehören, und auf unserer eigenen Seite wirklich zu stehen.