Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Zwei Stimmungen:

Es ist schon dunkel draußen und die niedrige Decke der Stube wird von drei Lichtquellen gestreift: Einem Leuchter in der Mitte des Raumes, von dem kerzenförmige Birnen in blaugrünen Glastulpen schwache wellige Lichtfelder auf die Rauhfaser entsenden, dem Flackern eines Farbfernsehers, und dem viel wärmeren Licht aus dem Flur, das durch einen Türspalt fällt und dabei nur ein spitzes Dreieck an die Decke zeichnet, dafür aber auch die Vorhänge am Fenster zur Straße wie von außen her erhellt. Es ist sehr warm. Die Wärme kommt von einem frei im Raum stehenden kleinen Ölofen, kaum größer als ein Nachttisch, der seinen Brennstoff über eine Leitung aus zwei Fässern im Keller bezieht und rumpelnd, gelegentlich fauchend, verbrennt. Von den fernen Ecken der Stube her drängt sich eine klamme alte Kälte in die Hitze des Ofens; und es ist als sei jetzt, im späten Herbst, das lange Ende des Raums nicht zu erreichen mit Licht und Wärme und also nicht eigentlich mehr Teil des Hauses. Es ist still im Raum, der Fernseher zeigt stumm eine Werbung für entkoffeeinierten Kaffee, vom Fauchen des Ölofens abgesehen still. Über dem Fernseher hängt in der Ecke, weit nach vorn in den Raum hineingeneigt, ein Kreuz, an ihm der Heiland mit einer hölzernen Dornenkrone. Unter den Tapeten sind die Wände nicht gerade.


Es fällt Regen, seit Stunden. Gräser, Sträucher und Bäume schütteln in gelegentlichen Böen Wasser heraus aus sich, und saugen es frisch wieder ein aus dem schwarzen Boden, über den kleine Flüsse hinfließen. Der Regen fällt außer auf die Bäume auch auf einen grünen Kran und seinen narbigen Betonsockel. Viele Sommer haben den grünen Lack matt und hell gebrannt, und um die großen Nieten steht das Wasser auf rostigen Stellen. Rinnsaale von kaltem Wasser stürzen am Kran entlang, über den kalten, nassen, rostigen Stahl. Es stellen sich Fragen: Vor vielen Jahren ist Eisenerz in einem Bergwerk abgtragen worden, und es wurde Stahl daraus gekocht, es wurden Platten daraus gewalzt, es wurde geschweißt und genietet und lackiert, der Kran wurde auf einen gegossenen Sockel gestellt und hat Steine verladen auf Lastwagen oder Schrott. Hat es sich gelohnt? Lohnt es sich? Der kalte Regen rinnt über den Stahl und kühlt den Kran. Er klebt vor Nässe und Kälte, wenn man ihn anfasst. (Bewegt er sich im Sommer, wenn er in der Gluthitze steht und einen harten Schatten wirft, derselbe Kran, derselbe rostige Kranz?)

Link | 26. September 2022, 20 Uhr 41