Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Google, friß: Analyse ist Aneignung.

Link | 10. Januar 2006, 19 Uhr 41


[Aus Chrom und Laserstrahl, dies ist mein Raumschiff]

Link | 10. Januar 2006, 17 Uhr 51


Liebe ist keinesfalls ein Problem, das Marx nicht gelöst hat*. Sie hat überhaupt nichts von einem Problem, weder im Allgemeinen noch im Besonderen.) Sie ist vielmehr ein andauernder Verlust. Wenn die physikalische Zeit des Universums mit der prinzipiellen Unumkehrbarkeit thermodynamischer Vorgänge identisch ist, also ein dauernder Verlust von Ordnung, dann ist die persönliche Zeit des Individuums der ständige Verlust von Zauber und Vokabular. Ada und Van in der Nacht der brennenden Scheune: Alles, was danach kommt, ist im besten Fall Begegnung, meist nur Zerstreuung oder Verzweiflung. Man hat im Grunde wirklich nur eine einzige Chance.

Natürlich hat man mehr als eine. Aber es treffen sich dann Versehrte und Wortlose, Anspruchsvolle und Ängstliche, vielleicht sogar Planende, mit Zielen und Absichten und ähnlich gefährlicher Scheiße im Kopf. Sich unverstellt zu treffen, wird eine Aufgabe. Man muß es lange wollen und braucht so etwas wie zyklische Individualzeit, einen tiefen und langen Atem, der die schrecklichste Tatsache der Liebe, ihre Anfälligkeit für Abwesenheit, auf seiner Seite hat. Immerhin kann er den dauernden Verlust durch eine einzige mögliche Form nicht-zynischer Wiederkehr ersetzen. Alles andere funktioniert nicht. [2005]

[Entschuldigen Sie diesen entsetzlichen Kitsch con elegantem Unsinn. Das Wort selbst habe ich mit 17 verbrannt und seither nie wieder verwenden, nur erwähnen können, und auch das nur verschämt. Und das hier macht mich fertig.**]

* Ohnehin eine naheliegende, aber schlechte akademische Angewohnheit, die Welt in Probleme einzuteilen.

** via concord.antville.org

Link | 6. Januar 2006, 0 Uhr 07


[ich arbeite nicht, ich liege nur herum, ich lese Jochen Schmidt, es ist so genau und wahr, wie kam das, daß ich ausgerechnet dazu gegriffen habe gestern, ich arbeite nicht, gut!, ich liege nur herum; wenn ich etwas anfasse, ein Glas Wasser, ein Handtuch, dann tu‘ ich es behutsam, mit einer feinen Zärtlichkeit]

Link | 5. Januar 2006, 15 Uhr 24 | Kommentare (1)


Stelle fest, daß ich vielleicht doch Angst vor dem Älterwerden habe. Dem der anderen.

Nachtrag:

„Ich wurde immer ungeduldiger auf dem Weg ins Niemandsland, weil ich es eilig hatte mit dem Wind, den Krähen, dem Nebel im Herbst und dem verstaubten Unkraut im Sommer allein zu sein. Eines Tages, als ich wieder dort ankam, wurde ich aber von einem Sicherheitsmann zurückgepfiffen. Das Gelände sei gesperrt. Tatsächlich, sie hatten einen Zaun gezogen. Wieder einmal fühlte ich mich von meiner Stadt betrogen, die mir meine Liebe nicht dankte. Mühsam hielt der Mann seinen Hund zurück.“ (Jochen Schmidt, Müller haut uns raus.)

Als ich zuletzt dort war, gab es einen Streichelzoo. Sie haben zwischen den Gleisen Rasen gesät und kleine runde Bäume gepflanzt. Die Kletterwand für fitte Freizeitleute gibt es schon seit Jahren. Es ist 96% süddeutsches Kurbad nach der Gesundheitsreform und 4% Aldi-Parkplatz, jetzt, dort.

Die minutiöse Durchhübschung des Stadtraumes, die ich aus dem Süden kenne, in einer noch verzweifelteren Form: Derselbe Horror vor dem Kontroll- und Wohlstandsverlust, für den jede nicht gleichmäßig hellgelbe Fassade stehen könnte, dieselben sinnfreien Dreiecke, die Modernität codieren und bei jedem Blick „Wir sind Exportweltmeister“ raunen, inspirationslos offiziöse Gartengeschenke, aber hineingesetzt zwischen den Wedding und das Gleimvierteil und umgeben von Straßen, wo auf den Seitenstreifen noch immer schwere, rußschwarze Kornhalme die Burger-King-Becher umrauschen.

[Jochen Schmidt aber! Wiederlesen!]

Link | 4. Januar 2006, 19 Uhr 35


Biblische Gestalten

Link | 4. Januar 2006, 16 Uhr 17


Das Grau vor dem Fenster ist ein Traum von Berlin, die Kälte und die plötzliche Einsamkeit, die sich vor den Zeittoren ausbreitet wie das Brandenburger Land jenseits der vorstädtischen Fleischbatterien (die ich mir von unkontrolliertem Leben erfüllt vorstelle; wilden, von keiner Weisheit gefilterten Leidenschaften).

Ich gehe Bücher von der Post abholen und achte darauf, kein Wort zu sagen, nicke nur, zeige. Abends lache ich probeweise ins kalte Bad.

Endlich wieder Musik, die Zeit hat. (Kann man so langsam sein, kann man soviel Zeit brauchen, für alles, um es zu begreifen, kann man?)

Es ist reine Bauhaus-Kälte, Expressionisten-Kälte, Sozialistenkälte. Die Kälte der Phantasten. Heimat ohne Heimeligkeit: Eine Dispositions-Herkunft. Utopiewille im kryonischen Schlaf.

(Als das Kind Kind war: Der Himmel, die Schwingen, das Rascheln im Lesesaal, die gründlichen Gespräche der Seelen mit sich selbst. Der Traum von Frankreich, der von der Rettung handelt.)

[Strategien der Weite]

Link | 4. Januar 2006, 14 Uhr 32


Stundenlang haben wir hier verharrt
auf die schweren Güterzüge gewartet
ihr Donnern verschlingt für Sekunden jede andere Gegenwart
dann wird wieder das sanfte Rauschen des Auwaldes
das Plätschern des Flusses hörbar

[Das Glück lauert in alten Eisenbahnsendungen auf BR Alpha]

Link | 3. Januar 2006, 18 Uhr 12


Wort zum Jahreswechsel: Pray hard but pray with care.

„Was mich ja geradezu anwidert ist die Unschuld dieser Bevölkerung. Die sind ja an nichts schuld.“ (Heiner Müller, spät, neulich im Fernsehen, sinngemäß.)

Da muß man auch erst noch hinkommen: Sich an die Tatsache von Schuld zu gewöhnen, weil sie im Kleinen nur eine menschliche Tatsache ist (die Erynnien tun’s nicht unter Totschlag!). Und da ist es eben so: Daß das Leben da ist, wo die Schuld ist. Um dem Quichottismus der ewiglahmen Rechtschaffenheit zu entkommen müsste man also: Eine Propaganda der Schuldfreude betreiben und eine der Vergebung, jedenfalls fügte sich’s gut in alle laufenden Bestrebungen wider die Pingeligkeit: Gleich morgen misch ich meinen Müll.

(Wie ich heute früh paranoisch wurde, als ich Plastik in den neuen gelben Container tun wollte und das Ding ging nicht auf; und dann entdeckte ich die beiden roten Knöpfe links und rechts, die man jetzt drücken muß, gleichzeitig beidhändig, mit den schleimtropfenden Tüten an den Fingern, und dann nach oben drücken, damit das aufgeht; wie ich dachte: Sieh an, sie geben uns zu tun, sie geben unserem Leben Sinn und Recht, sie geben uns Regeln und immer neue, kleine, unsinnige Aufgaben, damit wir es richtig machen können, täglich, es genau nehmen, unseren Durst nach Rechtschaffenheit stillen können an der Brust der Plastikverwertungsindustrie. Und auch die neue kleine Schikane wird leise begründet mit dem Lied vom kranken Planeten und daß man ihm nur dann hilft, wenn man wirklich die beiden roten Knöpfe überwindet, sonst nicht. Der Gang zum Container. Jeder weiß: Ein Glaubensakt. Ein post-everything Glaubensakt mit undurchschaubarer Begründungslogik, die strukturell mehr ein Gebet denn ein Argument ist, weil Wiederholung und die Tabuisierung von Alternativen ihre berühmte Fadenscheinigkeit zwar nicht verhüllen, aber doch mit einem unerschütterlichen Nimbus zwingender Wahrheit behängen. Dazu die grüne Moral der 2000er, die es verstanden hat, den alten sentimentalen Naturkult in das Boot zu holen, in dem wir angeblich alle gemeinsam sitzen und nur kräftig genug ins Segel pusten müssten, das dann aufschwingen würde, und Heil! Heil! es ginge voran und alle hätten zu tun.)

Ach ja.

2 Satzanfänge, die in diesem Eintrag keine Verwendung mehr finden werden:

„Als Flitzerblitzer noch Radarfallen hießen, …“
„Wenn man den exponentiell erwarteten Anstieg dreckspackanbiedernder Fan-Chor-Werbung auf die Sommermonate extrapoliert …“

Link | 2. Januar 2006, 23 Uhr 50 | Kommentare (1)


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