Vigilien

is there any any? nowhere known some?

Ich verliere die Geduld. Verdammter Cyberpunk rollt an, und ich bin nicht bereit; weder noch passiert. Plan 1: Vier-Seiten-Hof in Brandenburg, Tor mit Glasscherben, 400 Watt Stereo für Brahms, eine Schrotflinte. Plan 2: Want a piece of the action. Aber weder noch. Vieh.

Klar desintegrierendes Realitätssystem. Am Hauptbahnhof von Hannover wurde eine verdächtige Tüte zerstört. Will schlafen, bin aber nicht müde. Immer erschöpft, nie müde. Ob die Tüte vielleicht sogar von deutschen Behörden platziert wurde, sei noch nicht geklärt. Der Innenminister stellt jetzt Fragen. Wie es sich fügt, ist gerade eine Konferenz und eine Konferenz ist zum Fragenstellen da.

* * *

Eine lange, ruhige Nacht. Der Novembertag ist warm und laublos, ich gehe aufrecht durch die Straßen. Ich gehe langsam, zum ersten mal seit Wochen gehe ich langsam. Ich überlege, mir ein Küchenuntensil zu kaufen; ich wüsste nicht welches, ich will nur eins kaufen, um etwas Langsames zu tun und für die Langsamkeit, ich bin ein verlorener Priester der Langsamkeit. Ich sehe den Mädchen, die mir gefallen, in die Augen, das kann ich mir leisten.

Die U-Bahn sagt, mitten im Tunnel: Zurückbleimbitte. Zurück-zu-zurückbleim-zurückbleim-zu-zu-zu-zurückzurück-zurückbleimbitte. Dann ist wieder Ruhe, nur das Kurvengetöse auf den Bahnhof Alexanderplatz zu.

[christ appeared to me in several forms]

Link | 20. November 2010, 15 Uhr 17 | Kommentare (6)


Der unsichtbare Sommer. Schwante 2009, 2010.

Link | 19. November 2010, 0 Uhr 17 | Kommentare (1)


Es ist jetzt also etabliert, daß der Ausdruck des Persönlichen vom Herrschaftssystem gewünscht ist, darum ist jede persönlich-subjektive Kunst eine eigentliche Staatskunst, die Kunst der herrschenden Ideologie also, und (mit der Ausweichbewegung des Subversiven) abzulehnen. Dieses unbequeme Argument lässt sich jedoch leicht gegen sich selbst wenden, denn tatsächlich ist genau diese Ausweichbewegung ja die treibende Kraft einer konstant das Subversive entübelnden und es sich einverleibenden Maschine (the great meat grinder) — das ist genau das Pendel, das das Uhrwerk ticken macht.

Und da das Mittel gegen die Unflat nicht die Erregung ist, der vernünftig vorgetragene Widerspruch, der sich nämlich sofort in Gegenunflat verwandelt, sondern einzig das Schweigen, wenn also jede Äußerung eine Abstimmung ist, unabhängig von ihrem Gehalt, dann gilt das auch für die Gegenrichtung: Die letzte Möglichkeit der Negation ist der Filter. Wie es keine Rolle spielt, ob Dein Argument vernünftig oder nur laut ist, denn ich werde mich nicht dazu äußern, ich beschweige es, so spielt es keine Rolle, ob Deine Kunst persönlich ist oder politisch: Ich ignoriere sie. Nun kann ich nicht leben ohne Input (nicht bin ich ohne Input, denn ich denke nicht) — wie kann ich also existieren als einer, der nicht spricht und nicht hört? Um sich zu entziehen? Und wie ist eine Organisation von Menschen denkbar, in der nicht gesprochen und nicht gehört wird — eine Organisation ist ja nötig, wir sind zu viele, um jeder für sich Möhren zu züchten.

Dazu gibt es die liberale Geschichte, daß der Kunst erlaubt sein muß, sich zum politischen Geschehen zu äußern, und daß das nicht möglich sei, wenn sie das nicht unmittelbar könne. Diese Geschichte ist falsch. Die Unmittelbarkeit einer Kunst hat mit der Aussagefähigkeit zum politischen Geschehen (und wir können auch sagen: zum Geschehen überhaupt) gar nichts zu tun, sie kann auch einfach so treffen, entweder zufällig, was in Ordnung ist, oder aus Gründen konkreter Anwendbarkeit einer irgendwie gearteten Allgemeingültigkeit. D.h. der Drang nach Unmittelbarkeit der Kunst zum Geschehen ist gar nicht dem vermeintlichen (liberalen) Zweck geschuldet, sondern einem heimlichen Nebenzweck: Er dient nur der Eitelkeit des Produzenten (die nichts mit seiner Fähigkeit zur Autorschaft und Kontrolle zu tun hat). Der Produzent will sagen können: Diese schlaue Sache zum Geschehen habe ich gesagt. Und so entsteht die ganze erbärmliche Referenzkunstscheiße, die wir sehen: Irgendein Gedanke, der irgendwie clever war und in der Luft lag, weil er sich auf irgendwas bezog, worauf man sich gerade beziehen konnte, aufgegriffen vom Produzenten, schnell in die Referenzkunstscheißfabrik hineingesteckt und von den Wichteln ausgetüftelt, und heraus kommt das sammelbare Stück Referenzkunstscheiße, immer schön genau ein gottserbärmlich öder Gedanke pro Stück.

Was ich also dagegen vorschlage, ist ein Tunnel. Der Tunnel ist der große Bullshitentwerter.

In den Tunnel geht die Produktion derer, die am Weiterdenken der Welt, und das heißt ihrer Verneinbarkeit, interessiert sind, hinein, wird anonymisiert und um n Jahre verzögert. Das andere Ende des Tunnels spuckt Kunst aus, hypefrei und ohne Großkünstler, wirklich fähig zur Negation, also gefährlich. Selbstverständlich funktioniert der Tunnel nur, wenn er von einer religiös organisierten Gefolgschaft ausschließlich benutzt wird.

Link | 16. November 2010, 21 Uhr 59 | Kommentare (1)


— … and she caught her breast away from him crowding beside her, brushing the warmth of her throat, lips lingering at her ear and then his tongue abruptly tracing its details, hand gone from breast to breast under the robe until they went crushed under her as he came to one elbow to sweep its yellow from all the whiteness of her back. From his her own hand came, measuring down firmness of bone brushed past its prey to stroke at distances, to climb back still more slowly, fingertips gone in hollows, fingers passed weighing shapes that slipped from their inquiry before they rose confirming where already they could not envelop but simply cling there fleshing end to end, until their reach was gone with him coming up to a knee, to his knees over her back, hands running to the spill of hair over her face in the pillow and down to declivities and down, cleaving where his breath came suddenly close enough to find its warmth reflected, tongue to pierce puckered heat lingering on to depths coming wide to its promise, rising wide to the streak of its touch, gorging its stabs of entrance aswim to its passage rising still further to threats of its loss suddenly real, left high agape to the mere onslaught of his gaze knees locked to knees thrust deep in that full symmetry surged back against him, surges his hands on either side bit deep as though in their possession all her eloquent blood spoke in her cheeks till he came down full weight upon her, face gone over her shoulder seeking hers in the pillow’s muffling sounds of wonder until they both went still, until a slow turn to her side gave him up and ran raised lips on the wet surface of his mouth.
He reached a knee, and scratched. — Think you’ve got fleas here.
— Don’t be silly. You don’t really do you?
— They like empty places, nice thick carpet, he said turning from her the moment it took to catch the curl of a single hair from his lips.
— Jack you, no please, she held his hand away, — you didn’t see one? I can’t imagine how, what could we do?
— Round them up and train them, start a little circus.
— No they don’t really have those. Do they?
— Have what, flea circuses? Never heard of a flea circus?
– Of course I have heard of them that’s what I mean, it’s just a story isn’t it.

Das sind Amy und Jack. Jack, fast etwas wie ein Vorbild: Einer, der sich für alles interessiert und tüchtig wäre, wenn er nur die Schäbigkeit ertrüge, ein Säufer inzwischen, ein Verlierer, dem (in gesunder Deutung) vor allem seine Selbstzweifel im Weg stehen. Einer, der seine Tochter nie sieht, weil er erstens die nötige Menge an Widerstand gegen die Entropie nicht mehr aufbringt und weil ihm zweitens nicht verziehen wird, die Kommunikation mit seiner Exfrau ist unmöglich und besteht nur noch aus Vorwürfen. Einer, neben den sich grundsätzlich die Leute in einem leeren Diner setzen, um ihm auf die Nerven zu gehen; der sein Geld mit Pferdewetten verdient, obwohl er, wenn er sich nur kümmern würde, wohlhabend wäre, was ihm natürlich nichts nützen würde und was ihn nicht interessiert; der sein Buch nicht fertigbekommt, weil er den Zeitpunkt verpasst hat, zu lange gewartet, zur falschen Zeit in der Wirtschaft herumgehubert, zu viel Bitterkeit eingesammelt; einer, dessen Freunde ihm in der Hand zu Staub verzweifeln: Jack, der lebt, wie ein ehrlicher Mann leben müsste. Und Amy: Amy, die endlos elegante Schönste Frau der Welt, die Jack mag aus Gründen, die er nicht verstehen wird, und die ich mir nie vorgestellt habe, weil sie viel schöner sein konnte, wenn ich sie mir nicht vorstellte, eine durch das Buch wandernde Leerstelle, die ich ausspare in meiner Vorstellung, damit sie die Schönste Frau der Welt sein kann, keine Frau, alle Frauen, das reine Prinzip der Erlösung durch Eleganz — übrigens etwas, das nur Literatur kann. Nur kurzzeitig materialisiere ich sie, immer teilweise, wenn es nötig wird: Ein Bein, eine Haarflut, eine Hand. (Und ich weiß, was Jack sagen würde dazu: Empedokles, Körperteile, die sich noch nicht zu Körpern gefügt haben und sich unabhängig bewegen, members searching for their bodies, was natürlich, was Jack nicht sagt, die Nacht der Welt bei Hegel ist, wobei ich mir nicht sicher bin: Bei Hegel? Wirklich? Oder nur beim Zizek-Hegel, wobei Zizek vermutlich Jack kennt und sicherlich Empedokles?)

Link | 14. November 2010, 12 Uhr 37


Es ist nur: Die Dinge, an denen ich beteiligt bin, funktionieren am Ende nicht, und das liegt ausschließlich an meinem nutzlosen Charisma. Man befragt mich, ich sage meine Meinung, etwas Vernünftiges, Kluges, Analytisches, ich bin überzeugend und flöße Vertrauen ein, dazu sympathisch, alle mögen mich und denken: Was für ein brillianter, dabei solider junger Mann, vielleicht etwas ungeduldig-arrogant, aber der wird alles hinkriegen, was er sich vornimmt. Und dabei habe ich, nolens volens, genau den Hype zerstört, der es möglich gemacht hätte, ich habe die Sache auf die Ebene des Menschlichen, Verstehbaren, Vernünftigen und Beherrschbaren heruntergebracht, oder nicht die Sache selbst, vielmehr: Das Gegenüber. Ich habe das Gegenüber daran erinnert, daß es sich verdammtnochmal schämen sollte, sich von einem Hype so den Kopf verdrehen zu lassen.
Die traurige Wahrheit ist, daß es schädlich ist, die Dinge beherrschbar erscheinen zu lassen und die Menschen daran zu erinnern, daß man vernünftig entscheiden kann, allein durch eine Abwesenheit von Fanatismus, echtem oder falschem. Der Trick ist, die Dinge unbeherrschbar erscheinen zu lassen, Panik zu erzeugen oder Gier, die eindimensionalen, dummen Sonderzustände; und hundert wunderschöne Pferde gehen über die Klippe. Medienkapitalismus braucht diese Hypes, die Kopflosigkeiten, den Schwachsinn; ich aber bin das Gift des Medienkapitalismus, ich bin der Mönch, der in der nebligen Morgensonne ein Stück Brot über einer Holzschale voll Milch bricht, und der alternde Sergeant, der mit einer herrischen horizontalen Geste Ruhe gebietet.

Link | 14. November 2010, 11 Uhr 10 | Kommentare (3)


Alter Schwede. Magnum Gold. Gold. „Gold?!“, um genau zu sein. Das will ja nun niemand ernsthaft essen. Das will ja ernsthaft niemand essen. Nur weil irgendsoeine koksende Vollschaufel von einem Imagedesigner oder was so eine koksende Vollschaufel dann eben ist, sich so einen Kinospot zusammenhalluziniert hat, in dem so eine Clubschickse an einem goldenen Magnum so nachtclubartig-premiummäßig herumlutscht, muß ich, der nur einen winzigen Moment unaufmerksam war, jetzt dieses vollkommen abwegige Stück DRECK essen. Ich will Planwirtschaft. Tausche Bananen gegen nur noch eine Sorte Eis ohne Image.

Link | 11. November 2010, 0 Uhr 56 | Kommentare (7)


The real Zuckerberg is much more like his website, on each page of which, once upon a time (2004), he emblazoned the legend: A Mark Zuckerberg Production. Controlled but dull, bright and clean but uniformly plain, nonideological, affectless. […]

For our self-conscious generation (and in this, I and Zuckerberg, and everyone raised on TV in the Eighties and Nineties, share a single soul), not being liked is as bad as it gets. Intolerable to be thought of badly for a minute, even for a moment. He didn’t need to just get out “in front” of the story. He had to get right on top of it and try to stop it breathing. Two weeks later, he went to a screening. Why? Because everybody liked the movie.

Außerordentlich kluger Text:
Zadie Smith, Generation Why?

Link | 7. November 2010, 15 Uhr 53 | Kommentare (10)


Ein See, dessen Grund,
in ungebrochener Linie,
sichtbar ist,
Kiesel und Gräser,
und Gräser am Ufer
und Hügel in hellgrau
in kalt überströmter,
schnell überflogener,
massiver Ruhe.

Die Tochter des Vermieters,
die, in einem Kleid,
immer in einem Kleid,
mit weißen Beinen,
und einer Hand im Haar,
um aufblicken zu können,
vors Haus tritt,
ist nicht wirklich:
Die Tochter des Vermieters.

Die Piste scharf schlagend
mit rasenden Dämpfern,
in klingender Gischt,
presst,
Lamm beim Löwen,
ein mattroter Toyota,
flach über dem Grund,
unberührt und brutal,
Luft in unsere Lungen.

Link | 6. November 2010, 16 Uhr 01


Es ist ja kein Zufall, daß an Flughäfen Sicherheitstheater gespielt wird: Von wegen Terrorismus. Nichts als eine willkommene — wenn nicht fabrizierte — Ausrede für alle Sorten bizarrer Rituale und technischer Geräte an Flughäfen. Ausgerechnet Flughäfen, nirgendwo sonst. Immer Flughäfen. Ausgerechnet kein Metall und keine Flüssigkeiten, was keinerlei Sinn ergibt. Der wahre Grund für all das, und wenn man es einmal weiß, fragt man sich, wie sie es schaffen, den ganzen Unsinn unter dem lachhaften Mäntelchen „Terrorgefahr“ durchzubekommen, ist, daß Flughäfen längst keine Flughäfen mehr sind, sondern Dimensionstore, die als Flughäfen getarnt sind. Je den unbedingten Drang, im Flugzeug zu schlafen, bemerkt? Je bemerkt, wie die neueren Flugzeuge irgendwie lasch starten? Der Grund ist einfach: Die vermeintlichen Flugzeuge sind nichts weiter als auf bewegliche Gestelle montierte Röhren. Der Flugzeugschlaf, induziert durch kontrollierten Sauerstoffentzug, markiert den eigentlichen Dimensionsübergang. Wenn alle Passagiere über ihren Frankfurter Allgemeinen Zeitungen (nur kurz) einnicken und friedlich, Reihe 1 bis 28, in der Röhre schlafen, verpassen Sie den Blitz.

Deutschland wurde schon vor einigen Jahren vollständig digitalisiert, weil es in VR sehr viel leichter (und effizienter) zu betreiben ist. Die Übergänge in noch nicht digitalisierte Länder mussten irgendwie gestaltet werden, Flughäfen bieten sich natürlich an. Das geschulte Auge erkennt ein schon digitalisiertes Land aber ohne Weiteres an der Abwesenheit von Dreck und kaputtem Putz, offensichtlich gescripteten Lebensläufen, und kostengünstig zu rechnender Sandsteinfassadenarchitektur (mit Lichtkonzepten).

[Das wäre die Sorte hocheklektische Trash-Unoriginalität, die als Plothintergrund taugte]

Link | 6. November 2010, 12 Uhr 34 | Kommentare (4)


White Power: Dust.

Link | 2. November 2010, 11 Uhr 15 | Kommentare (8)


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