grail keeper

Das Alter bietet auf den ersten Blick wenig, aber doch die Chance auf Weisheit. Wie so viele andere Männer war ich mein Leben lang auf der Suche nach etwas, manche nannten es Sinn, ich nannte es (manchmal spöttisch, manchmal auch ehrfürchtig) den Heiligen Gral. Nicht, weil ich mich etwa für auserwählt hielt, nein, sondern weil mein erstes, vollständig selbst gelesenes Buch die „Nordischen Sagen“ hieß. Die Artus-Legende darin faszinierte mich als kleiner Junge sofort, ich fieberte mit den noblen Rittern und ihren zahllosen Abenteuern und bittersüßen Frauengeschichten. Lancelot, Tristan, Gawain – ich hätte alles getan, um an ihrer Seite zu sein, doch nur mit einem von ihnen identifizierte ich mich von Herzen: mit dem jungen Parzival. Irgendwie eine sehnsüchtige, romantische Type, ein schöner Unglücksrabe, verdammt zur schmerzhaften Suche nach etwas, das er bereits früh gefunden und dann auch gleich wieder verloren hatte, ohne es überhaupt finden oder verlieren zu wollen. Was war das, verdammt? Ein Ding, ein Gefühl, ein Schatz, die Liebe? Was hatte Parzival so Gewaltiges erfahren, dass es ihn nicht mehr los ließ?

„Der Gral war: Frucht der Seligkeit, / Füllhorn aller Erdensüße, / er reichte nah an das heran, / was man vom Himmelreich erzählt.“

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