Und was tat Sofie?

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Der San Diego Freeway brachte sie auf den Washington Boulevard, der auf den letzten 500 Metern bis zum Meer mit Palmen gesäumt war: hohe Bäume mit schlanken Stämmen, deren Wipfel sich stolz wiegend gegen den tiefblauen Himmel zeichneten. Die Luft roch salzig und frisch und an den Straßenrändern waren nur noch die Liquor Stores geöffnet. Niemand war um diese Zeit hier zu Fuß unterwegs. Aber als sie über eine kleine, in der Mitte abgeknickte Brücke kamen, änderte sich das. Hier, hinter dem kleinen Bootskanal, kurz vor dem Strand mit den typischen, niedrig gebauten Backstein- und Holzgebäuden knallte das Leben. Es war Samstagnacht, Sportwagen und Trucks drehten ihre Runden. Das elektrische Licht glitt über polierten Lack und die Insassen hörten laute Musik und riefen den aufgekratzten (stets in Gruppen auftretenden Mädchen) anzügliche Dinge zu. Vor den gefüllten und mit buntem Licht geschmückten Restaurants und Kneipen flanierten die Nachtschwärmer zu Fuß auf und ab. Sie aßen dabei mit den Fingern oder warteten auf Einlass vor irgendeinem angesagten Club. Dazwischen, lässig und gekonnt wie Rauchschwalben, schlängelten sich die Skater auf langen Boards vorbei. Sie trugen kurze Strandhosen, coole Frisuren und teure Caps, die Tim sich augenblicklich ebenfalls zulegen wollte. Am besten gleich zusammen mit einem tiefenentspannten Gesichtsausdruck und dem unvermeidlich strahlend weißen Surferlächeln, das einen immer daran erinnern sollte, was für ein kleines, bescheuertes und vergeudetes Leben man selber führte. Und ganz im Gegensatz dazu, am anderen Ende der Skala: die bärtigen, verlausten Penner, die ihr Hab und Gut in zugemüllten Einkaufswägen hin- und herschoben und ihm das Herz zusammenzogen. Wahllos und wie in Zeitlupe bettelten sie Passanten an und zeigten dabei ihre stumpigen, von Armut und Karies zerfressenen Mäuler. Und was tat Sofie? Sie staunte. Sie staunte einfach und schwieg.

 

Llewyn Davis Katze ist ein Kater

Da ich vom letzten Film der Coen Brüder (ich glaube es war A Serious Man) WIRKLICH akut genervt war, musste meine Mutter mir erst ne Karte schenken und tagelang an mich hinreden, bis ich mich endlich aufraffte und mit drei anderen (mir vollkommen unbekannten) Zuschauern die Freitagsnachmittagsvorstellung besuchte. Es wird ja immer sehr viel vom großartigen Humor dieser Filmemacher geschwärmt, natürlich auch von ihrer Intelligenz, klar, aber vor allem von ihrem absurden Humor. Im Grunde haben die beiden fast schon Woody Allen Status erreicht, was immer sie anpacken, wird automatisch Kult. Und jaja: ich bin natürlich AUCH ein glühender Verehrer des DUDES, logisch. Da ich nun aber keinen Bock hatte, mich vorher per Filmkritik zu informieren und meiner Mam nur zu entlocken war, dass er mir GARANTIERT gefallen würde, befand ich mich beim Gucken von Inside Llewyn Davis in der angenehmen Lage,  vollkommen erwartungslos an die Sache heranzugehen. Ich kaufte mir eine kleine Tüte Colaflaschen. Ich machte es mir in meiner Reihe bequem. Ich machte die Augen und Ohren auf und kaute so vor mich hin. 60er Jahre, New York. Aha. Erfolgloser, arrogant-arschiger, aber irgendwie auch sympathisch-verpeilter Musiker in der Folkszene. Aha. Ein entlaufener Kater. AHA. Schon hatten sie mich. Obwohl ich NICHTS von Musik verstehe,und schon gar nicht von diesem amerikanischen Volksmusik- und Gitarrenzupf-Kram, mit dem sie sich offensichtlich sehr lange und intensiv beschäftigt haben, der mich aber komischerweise keine Sekunde lang berührte. Der Plot ist zu vernachlässigen. Diese ganze waswärewenn Bob Dylan Sache: geschenkt. Es ist eigentlich nur wichtig, dass es in diesem Film zwei Katzen gibt, nämlich einen KATER und eine KATZE (bis jetzt habe ich keine Kritik finden können, die diesen entscheidenden Umstand bemerkt hätte)  und dass der Held der Geschichte den Kater (schon wieder namens Odysseus) entwischen lässt, ihn mit einer identisch aussehenden Katze verwechselt, diese dann aber wie seine geschwängerten Mädels im Stich lässt und im Sekundenschlaf vielleicht sogar mit dem Auto rammt. Dann läuft natürlich die ganze große Coen-Karma-Kafka Maschine wie ein Schiffsdiesel in meinem Kopf an und der arme Tropf wird für sein tierisches Fehlverhalten bitter bestraft. Ich behaupte sogar, er bekommt die ganze große Hades plus Fährman Packung, also das volle Seemannsgarnprogramm, denn er muss am Ende zurück in sein altes Berufsleben (Handelsmarine) und findet doch keinen Einlass, weil ihm das Blutgeld ausgeht. Am Ende war nur noch eine Colaflasche übrig. Und ich habe mich nicht gelangweilt. Denn nur Realität langweilt. Aber so richtig. Katzen hingegen… aber das wisst ihr ja alles selbst und vielleicht noch viel besser. Aber lustig? Lustig ist dieser Film nun wirklich nicht, liebe allesimmerwiedernachplappernden Filmjournalisten. Außer bitterböse ist lustig, so wie Zartbitter Schokolade das Gegenteil von… Aber lassen wir das. Geht einfach rein, schadet nicht. Miau.

dirty fourtythree

(Ähm. Ähm. Hüstel. Hüstel: Das ist also Ironie) [LAUT] „DIE DRECKSAU“ haut einem so schön direkt und verfickt ne Botschaft aus den 90ern in die Fresse, dass ich mich tatsächlich mal wieder dazu genötigt sehe, hier ne kleine Filmkritik an die Wand zu nageln. Ganz generell würde ich sagen: HALLO? Weicheier – also all die Pussis, Gartenzwerge, Fahrradfahrer und Veggydayliebhaber da draußen – können ganz schnell, ganz getrost zu Hause bleiben. Spart euch das Geld  für nen schicken Eyeliner von MaybellineJade oder nen OnlineRasierKlingenAbo von Mornin Glory. Die anderen Jungs sollten alle warten, bis sie männlich, solide alkohol- und sexerfahren und genau dreiundvierzig Jahre alt geworden sind. Außerdem mindestens eine Scheidung hinter sich und natürlich (als sie jung waren) Trainspotting von Danny Boyle/Irvine Welsh gesehen (und für ÜBER befunden) haben. SO. [LAUT AUS] Die Handlung kommt dann von Anfang an sauber links angetäuscht ganz locker von rechts daher. Ein runtergekommener Bulle kokst, säuft und hurt sich durch eine schottische Kleinstadt und kurz auch durch Hamburg und scheißt auf jeden und alles, der sich ihm (zufällig oder ganz bewusst) in den Weg stellt. Solche Filme sind ja eher selten geworden in der aktuellen Kinolandschaft. LEIDER. Und wunderschön ist es natürlich, wenn man den Helden (brilliant in Szene gesetzt von James McAvoy) vom ersten Moment an so richtig schön hasst – und am Ende einfach nur noch liebt. Denn Welsh hat hier ne ganz feine und komplexe Hintergrundstory gewebt. Das schöne Muster zeigt sich allerdings erst ganz am Schluss in seiner heterosexuellen Pracht. Dazwischen liegen einfach nur böse, dreckige und mitunter saugute Szenen, die einem die Nase und den Kopf mal durchpusten von dem Energie-, Internet-, Stromspar-, Lebelangundnachhaltig (undlassdichdabeinichtausspieonioieren) Dingsbums das uns diese müden Tage so verstopft. Jaja, ich hör ja schon auf.  [LEISE] Zieht! Euch! Das! Rein! (Hicks. Ironie an. Ähm. Ähm. Aus. Ihr wisst schon).

Operation Zuckerzombie

[AUFNAHME]

„Memo an mich selbst: Ich weiß, ich trinke in letzter Zeit zu viel. Aber wenn ich erst einmal damit angefangen habe, ist es sehr schwer wieder aufzuhören. Dann ist mir alles andere egal. Vielleicht ist es aber auch anders. Vielleicht  mag ich mich eigentlich nur in betrunkenem  Zustand. Warum kann ich nicht immer so sein, wie ich mich fühle, wenn ich besoffen bin?“

(Marti)

Ah, Kia.

Die meisten der Drachenbootfahrer sind bereits über 50 und arbeiten bei Infinion, sagt Dieter. Dann zeigt er uns die Dellen in seinem brandneuen A6, an den er sich eben noch mit locker hochgekrempelten Hemdsärmeln und lang zusammengeschlagenen Beinen angelehnt hat. Wir gehorchen seiner Aufforderung, bitte genau hinzuschauen. Tatsächlich entdecken wir trotz schiefgelegter Köpfe gar nichts. Das liegt daran, sagt Dieter, dass der Wagen nicht gewaschen ist. Aber sie sind da, sagt er. Wir nicken beide und ich ziehe zusätzlich ein, wie ich finde, anteilnehmendes Gesicht. Da kommt der Pedro, sagt Dieter auch schon etwas fröhlicher. Wir schauen nach rechts und sehen einen silbernen SUV, der gerade auf den Firmenparkplatz neben der Donau biegt. Und während Pedro (dem wir gleich die Hand schütteln werden) seinen Wagen in unsere Richtung steuert, fügt Dieter unvermittelt an: Ah, Kia. Das klingt nachdenklich und ich verstehe nicht, warum.

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