Drive in alle Ewigkeit, Amen

Nach dem Kinobesuch von Drive im Frühjahr 2012 war es mir vollkommen unmöglich, hier eine kleine Besprechung reinzuschreiben, obwohl ich wusste, dass dies unausweichlich war.  Dabei war ich so ergriffen von der Stimmung, von der stillen und brutalen Kraft dieses ästhetischen Meisterwerks, dass ich das alles für mich selbst hüten und bewahren wollte, solange wie irgend möglich:  den Zahnstocher von Ryan Gosling, das süße Lächeln von Carey Mulligan, die Skorpion-Jacke, Hammer und Uhr, nächtliches Vergaserreinigen und übergreifenden Lederhandschuhe auf Lenkrädern, das Motorbollern im dunkel erstrahlenden L.A.. Ja, einfach  die wunderschöne, unausweichliche Logik des Existentiellen, die jedes Körnchen dieses Streifens wie flüchtig verdunstendes Benzin durchtränkt. Fast schien es mir, als male dieser Film Zeichen an die Wand, nur für mich, für mich ganz persönlich. Ich wollte, ich musste mich daran ausrichten. Heute, nachdem ich mir ihn vor Tagen noch einmal auf Blue Ray angesehen habe, weiß ich endgültig, dass ich damals richtig lag. Und dass es gut war, dass ich damals schwieg. Drive ist eine leuchtende Ode an das Einfache, an die Bescheidenheit, an das Richtige. Dieser Film ist ein Werk, von dem ich weiß: wer ihn nicht mag, der ist nicht mit mir. Wer über ihn lästert, der ist gegen mich, der hat nichts mit dem zu tun, was ich für schön und erzählenswert halte. Kurz:  der kann mir gestohlen bleiben. Für alle Ewigkeit. Amen.

limit to your love

Seit ich denken kann liebe ich Fahrzeuge. Dabei ist es egal, ob sie fahren, rutschen oder fliegen. Warum das so ist? Ich glaube, das hat etwas mit unserer Begrenztheit zu tun. Wir Menschen sind ja sehr begrenzte Wesen. Allein schon der Umstand, dass wir unseren eigenen Körper nicht verlassen können ist Wahnsinn. Wir können aus diesem Knochen-, Fleisch- und Blutmix einfach nicht heraus, egal wie sehr wir uns anstrengen. Und was noch viel fieser ist: es kann uns darin auch niemand besuchen kommen. Auch Sex ist nur die Simulation eines Besuchs. Alles was wir  dagegen tun  können, ist ein Locationwechsel. Und mit dem richtigen Fahrzeug macht so ein Wechsel doppelt Spaß. So sehe ich das.

Vielleicht wäre alles anders gekommen, wäre mein erstes Fahrzeug nicht eine Rakete gewesen. Eine kleine blaue Rakete, mit einem dünnen Tretrad vorne und zwei dicken Rädern am Heck, richtigen Breitreifen. Als kleiner Bub konnte ich sie mir stundenlang anschauen. Ich konnte mich gar nicht satt an ihnen sehen. Ich glaube, ich habe sie so lange und intensiv studiert, dass ich mich heute noch genau an ihr Profil erinnere und an ihren Geruch den sie verströmten, nachdem ich damit einen Sommernachmittag lang über die Steinplatten gerattert war, die mein Großvater um sein Haus herum verlegt hatte. Keiner von meinen Freunden hatte so ein Geschoss und ich konnte es nur fahren, wenn ich bei Opa und Oma zu Besuch war. Schon auf der langen Hinfahrt freute ich mich darauf und Großvater wusste das. Kaum waren wir da, sprang ich aus dem Wagen, lief den schmalen, von grünen Hecken gesäumten Weg durch die Wohnsiedlung hinauf und stürzte mich in seine weit ausgebreiteten Arme. Er drückte mich fest, wuschelte über meinen Kopf und gab mir einen Klaps. Das war unser geheimes Zeichen. Er hatte die Rakete schon aus dem Keller geholt und startklar gemacht. Ich lief weiter um die Ecke in den Garten und da stand sie . Von Spinnweben und Staub befreit, mit ihrem blauen, kühn nach oben gerichteten Rumpf. Bereit für einen Flug zu den Sternen.

Ganz anders

„Wie still, ruhig und feierlich ist es doch. Ganz anders als in dem Augenblick, als wir stürmten, schrien und kämpften; (…) Jetzt ziehen Wolken an diesem großen unendlichen Himmel hin. Warum habe ich denn früher diesen hohen Himmel nicht gesehen? Wie bin ich glücklich, dass ich mir seiner endlich bewußt geworden bin. Ja! Alles ist nichtig, alles Betrug außer diesem unendlichen Himmel. In ihm ist nichts als Stille und Ruhe. Ach, Gott sei Dank! …“

(Fürst Andrej, Austerlitz/Tolstoj, Krieg und Frieden)