STRUPPIG.DE
zak
Befindlichkeiten


ASC  |  DESC
NEXT
2007.07.26 | 6:30 pm | Notizbuch PERMALINK  |  TRACKBACK
Invers

Das Rheintal war einmal ein Meeresgraben, hunderte von Metern unter der Wasseroberfläche gelegen, denke ich, während vor dem Zugfenster die sich auftürmenden schartig schwarzen Basaltfelsen vorüberziehen, nun grün bewachsen. Vulkanischer Faltenwurf, sediert.

Wir alle unter Wasser. Der Zug wie eine dieser Plexiglasröhren, in denen man zu Fuß Aquarien durchqueren kann – draußen die nasse Landschaft, ein Kamerateam vor dem arrière-plan der Linzer Altstadt, unter Türmen und Wimpeln, die Wälder an den Hängen wogende Anemonen, die Weinberge Korallenformationen, die Vögel fliegende Fische.

Stumm treiben Rentnergruppen vorüber, die Rheinfähre überquert schwelende Lavarinnen, fast nicht zu sehen inmitten aufsteigender schwarzer Säulen, die kein Rauch sind.

Der Traum, immer nur Tourist zu sein, weicht einem Ankommen im Unhaltbaren. Das Stetige ist die variable Konsistenz und der Himmel nichts anderes als ein von unten betrachteter Horizont. Trotzdem wird die Sonne, obwohl versinkend, niemals hier unten ankommen.

Ich frage mich, welchem Ma(a/h)r wir wohl entsteigen werden, welches Tor…

Gestern noch saß ich vor dem Kölner Dom, aus Pressluftflaschen trinkend, auf den Anschlusszug wartend, während um die gotischen Türme Haie zogen, in epileptischen Bahnen.

Dinge beschwören zu wollen, ist immer die falsche Methode. Beschwörungen sind immer die falsche Methode. Beschwörungen sind keine Methode.

Es geht mir gut.

Es ist eine schöne, angenehme, gute Arbeit. Von manchem jedoch darf man nicht sprechen. Man muss es sein und tun.

2007.07.24 | 11:33 am | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Ihr saht ihn nicht im Glücke, als Scharen ihm gefolgt

Man muss in den Tempel gehen und man muss es laut aussprechen. Man muss die Worte und die Zeichen in das weiche Metall ritzen, es mit sanften Fingern ohne Zittern rollen, nach hinten reichen in die Hand der Botin, die Nachts zu der Mauer gehen wird, zur Brandmauer, um dort den Spalt zu befüllen, auf dass aus Metaphysik Physik werden wird. Selbst bei herausquellenden Gedärmen noch hat Newton seine Gesetze im Spiel.

Vielleicht liegt es daran, dass wir uns auf sehr verschiedene Art sehr ähnlich sind.

2007.07.24 | 11:32 am | Korrespondenz PERMALINK  |  TRACKBACK
Wir werden stumm in den Strudel steigen

[...] Das wird sein wie das Ablegen eines Lasters, wie wenn man ein totes Gesicht wieder auftauchen sieht im Spiegel, oder auf eine verschlossene Lippe horcht. [...]

Cesare Pavese - Der Tod wird kommen

2007.07.22 | 6:23 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Wo sind die Drähte?

Wir leben draußen, auf den Hügeln, vor den Toren der Stadt. Tesla hat die gesamte Siedlung elektrifiziert, damit wir bei Bedarf die Generatoren nutzen können. Sehen Sie, gleich gehen die Lichter aus, unten im Tal. Man kann es gut sehen, von hier oben aus. Ängstigen Sie sich nicht, es ist nur ein kurzer Moment der völligen Dunkelheit. Nirgends kann die Nacht so vollkommen sein wie hier. So scheint es mir zumindest manchmal. Sehen Sie, nun hat man den Garten entzündet. Schauen Sie nicht so, muss ein Garten denn aus Pflanzen bestehen? Auch dieses Arrangement hier verdient eine solche Bezeichnung. Wussten Sie, dass man aus den Sekreten gewisser Käferarten eine Flüssigkeit gewinnen kann, die bei nahenden Gewittern zu leuchten beginnt? Oder wenn man sie unter ein bestimmtes Maß von Spannung setzt. Wir haben die Außenwände des Gästehauses damit gestrichen, vielleicht werden Sie es noch sehen können, es wurde schlechtes Wetter gemeldet. Kommen Sie nun, ich führe Sie hin. Der Garten wird auch noch in den kommenden Nächten da sein. Wenn Sie sich erfrischt haben und umgezogen, kommen Sie hinüber ins Haupthaus. Tesla erwartet Sie. Und bitte denken Sie daran: Für das Geheimnis interessiert sich niemand, nur für den Effekt, den man mit ihm erzeugen kann.

2007.07.20 | 5:53 pm | Korrespondenz PERMALINK  |  TRACKBACK
Ist Ihnen der Schmul ein Begriff?

[...] Es gibt auch ganz andere Strukturen des "Zwischen", jene etwa, die sich im jüdischen Witz von Katzmann in Paris auftut, wenn der Kaufmann seinen allzu jüdisch klingenden Namen in einen guten französischen Namen verwandeln will, nur um sich in der perfekten französischen Übersetzung des Namens als chat l’homme jüdischer als je wiederzufinden. Im Übergang von einer Sprache zur andern, vom deutschen Katzmann zum französischen chat l’homme springt plötzlich das Hebräische im Schalom als dritte Sprache hervor. Daniel Sibony evoziert die Struktur dieses Raums zwischen den Sprachen als die Leere, in der das Andere als das Unbewusste haust: Das Andere, das Unbewußte ist hier in dieser Höhlung, in dieser Leere, um die mehrere Sprachen kreisen. Baudelaires Verse in Le cygne rufen diese Leere im Namen Ovid (O vide!) an. Der jüdische Witz unterstreicht aber noch eine andere Dimension: die Offenbarung, die Lesbarkeit der dritten Sprache, der Wahrheitseffekt, der zwischen den Sprachen hervorblitzt, resoniert in einem spezifischen historischen Kontext von Erfahrung und Leiden. [...]

Rainer Nägele - Echos : Über-setzen

2007.07.19 | 4:09 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Continuity

Für einen kurzen Augenblick das Gefühl gehabt, dass das Sekundäre gestorben ist und nun ein reines, ausschließliches In-der-Welt- und In-den-Dingen-Sein es abgelöst hat (Filter on/off), welches die Gleichzeitigkeit nicht nur denken, sondern auch leben kann, so wie sie Foucault in der „Vorrede zur Überschreitung“ schildert. Mit einem „Ich“, das auf der unsichtbaren Linie des Grenzbegriffs steht und gleichzeitig in Bewegung ist, das Einfaltung ist und Ausfaltung, und nicht das, was das Schwarze glaubt, für das Weiße zu sein. Dann ein Rundreiseticket für ganz Europa gekauft, in den Zug gestiegen und als Bill Murray verkleidet mit Blumensträußen in den Händen vor vielen Türen gestanden, hundeblickig und zugleich bewusst, fokussiert und getragen. Sehr schnell festgestellt, dass Foucault ebenso recht wie unrecht hat (was schon vorher zu wissen war). In der Bahnhofsbuchhandlung auf dem Weg zum Flughafen den kompletten Kierkegaard gekauft und wieder zurück nach Tokio geflogen. Dort für den Rest des Lebens in den Hotelpool gelegt.

2007.07.17 | 3:07 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Sommer, groß

Wir saßen in Weimar, am Theaterplatz, natürlich tranken wir Pastis, ein paar Mützenmännchen mit Skateboards übten sich auf der Freitreppe und mein Fuß tat weh. Wir warteten auf Thomas Bernhard und mein Großvater war gestorben, ein paar Tage zuvor. Ich war nicht auf seiner Beerdigung, weil es keine gab, kam aber trotzdem von Zuhause, wo ich Photos von seinem Benz gemacht hatte, der möglichst schnell verkauft werden sollte. Ich habe keine Lust mehr auf Theorie, sagte ich, und ich weiß nicht, ob Du mich verstanden hast. Ich war so verliebt wie noch nie in meinem Leben, zumindest glaubte ich das und vielleicht stimmte es auch. Mein grundsätzlicher Geisteszustand war der eines Blödsinnigen und ich hatte tatsächlich eine Flasche Wein in meiner Tasche, und Plastikbecher. Irgendwann später sagtest Du mir, dass ich unerträglich gewesen sei, an diesem Tag, und Du schon am Bahnhof überlegt hattest, mich einfach stehen zu lassen.

In unseren Taschen hatten wir beide das gleiche Buch: Fragmente einer Sprache der Liebe.

[Mémoires involontaires. Fetisch Glück. Ethik der Erinnerung.]

[...] Gesucht und gefunden, in der Einsicht verbunden: Du gibst, was du brauchst, ich glaub, was ich seh - endlich mal etwas, das ich fast versteh. [...]

Kettcar - Balu

2007.07.14 | 10:05 am | Gonzo PERMALINK  |  TRACKBACK
La condition postmoderne

Titel gefälschter chinesischer Harry-Potter-Romane,
derer es mehr als fünfzehn geben soll:

„Harry Potter und die Kristallvase“
„Harry Potter und die Goldene Schildkröte“
„Harry Potter und der Leopardendrache“
„Harry Potter und die Goldene Rüstung“
„Harry Potter und der große Trichter“

COMMENTS

1 - posted by goncourt | 2007.07.14 | 12:32 pm

Manchmal bekommt Harry Potter von Zhang Yimou einen neuen Fall übermittelt.

2 - posted by zak | 2007.07.16 | 11:04 pm

Welcher ohnehin am besten über neue Farb- und Flugdramaturgien nachdenken kann, wenn er als Eulenvogel verkleidet in einer exakt ausgependelten Ecke seines Arbeitszimmers hockt.

add comment
2007.07.10 | 10:31 am | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Nocturne, Sepia und die ausführenden Organe der Sichtbarkeit

Und wenn ich nun glaube, in diesem Gesicht gegenüber, auf dem das Licht der Kerzen spazieren geht und hinter dem sich der ebenso wahnsinnige wie ausdrucksgestörte Himmel auffaltet, mit seinen rasenden Wolken, dunkelschwarz bis blendend weiß, Sonnenschwerter speiend, aus dem es aber trotzdem, dessen kann man versichert sein, nicht mehr regnen wird, heute nicht – wenn ich also nun glaube, aus diesem strahlenden, mahnend schönen Gesicht so etwas wie einen Ausdruck von „Glück“ herauslesen zu können, so verhält sich dies zum Diskurs der Lesbarkeit wohl ähnlich wie die Aussage, dass der Umriss dieses Sees, an dessen Ufer es nach Zukunft riecht und nach Zitronengras, nach Verheißung, Geschichte und geregelter Fischerei, von oben betrachtet den Buchstaben Y bildet. Die Tischdecke ist nicht kariert und wir wissen nicht, wo sich das Haus von George Clooney befindet, wissen nicht, wo George Lucas hat heiraten lassen und wo Daniel Craig sich wiederholt hinter Blumentöpfen versteckte. Was wir jedoch wissen, und hier spielt nun kurz der Wind in deinem Haar, ist, dass wer sein Brotstückchen im geschmolzenen Käse verliert, beim ersten Mal fünf Stockhiebe erhält, beim zweiten Mal zwanzig Peitschenhiebe und beim dritten Mal mit einem Gewicht an den Füßen in den nächsten See geworfen wird. Auf einem Wandteppich in Beaune kann man ein falsches Einhorn sehen, dessen abgeschlagenes Bein traurig die Blumen benetzt, andersfarbig. Frankreich ist nicht Italien. Italien ist nicht die Schweiz. Trotz allem aber ist es Sommer und wir können uns vorstellen, was immer wir wollen.

[Versuche I]

2007.07.08 | 12:04 pm | Korrespondenz PERMALINK  |  TRACKBACK
Markt und Möglichkeit

Disclaimer: Die Rechte an sämtlichen Texten dieses Weblogs liegen, soweit nicht anders angegeben, beim Autor/Blog-Inhaber. Jedwede anderweitige Verwendung dieser Texte bedarf einer vorherigen Absprache. Der Inhaber dieses Blogs ist nicht verantwortlich für die Inhalte verlinkter Websites. Kontakt: domicile [dot] conjugal [at] email [dot] de