Same same, but different.
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Am Fuße des Jin Mao Towers in Shanghai stehen nette chinesische Herren in Trevirajacken und möchten einem sehr günstige Füllfederhalter der Marke Montblanc verkaufen. Im Fuße des Jin Mao Towers in Shanghai, nahe der Turbolifte, kann man aus einer Theke heraus vergoldete Miniaturen des Jin Mao Towers sowie des Brandenburger Tors kaufen. In den Turboliften des Jin Mao Towers in Shanghai kann man nichts kaufen, jedoch wird einem recht schnell übel und man möchte sich irgendwo festhalten, das geht jedoch nicht, also setzt man sich auf den Boden. Auf der 340 Meter hohen Aussichtsplattform des Jin Mao Towers in Shanghai werden echte Perlen aus dem Pearlriverdelta verschenkt, adrette junge Damen in bunten Kostümen bieten an, Löcher hinein zu bohren. Ein paar Meter weiter befindet sich das höchste Postamt Chinas. Außen, nebenan, basteln junge adrette chinesische Bauarbeiter auf filigranen Bambusgerüsten am Shanghai World Financial Center herum, das bei seiner Fertigstellung im Jahre 2008 mit 492 Metern den Jin Mao Tower um 70 Meter überragen wird. Wenn man winkt, winken sie zurück, im Rhythmus der im Wind schwankenden Rohrkonstruktionen. Innen, nebenan, kann man durch eine Glasglocke in die 38 Stockwerke hohe Lobby des Grand Hyatt Hotels hinunter schauen; am Rande der Glasglocke befindet sich eine Reling, an der man sich festhalten kann, sollte einem übel werden. Vom 52. Stock des Gebäudes aus führt der längste Wäscheschacht der Welt bis in den Keller. Beim Verlassen des Jin Mao Towers in Shanghai kaufen wir im Vorübergehen 20 Füllfederhalter der Marke Montblanc und unterqueren dann den Fluss vermittels einer befahrbaren Disco.
Niemand muss Angst haben vor der Zukunft.
[Dezember 2006]
„Wo sie idealisieren (lieben), können sie nicht begehren; und wo sie sinnlich begehren, sind sie unfähig zur Liebe und Bindung.“
Oui, oui. Mon Cher.
Wobei ich aber auch hier wieder finde, dass dies keine Frage des Geschlechtes ist, sondern eine des Charakters – oder sagen wir lieber: der psychischen Verfasstheit. Konstitution?
Kürzlich begab es sich, dass das lyrische Ich dieses Textes und sein Berliner Gast zu einer Burg fuhren, die in den Hügeln über dem Nachbarort zwischen Weinbergen thront, gelblich und ein wenig heruntergekommen, aber immer noch sehr märchenhaft, und die eigentlich auch gar keine Burg ist, sondern ein Schloss. Die beiden fuhren dorthin, weil das lyrische Ich dieses Textes dunkel in Erinnerung hatte, dass es dort ein Restaurant gäbe, von dessen Terrasse aus man das ganze Tal überblicken konnte, und es wollte seinen Berliner Gast schließlich ein wenig beeindrucken, wozu ihm ein solches Schlossrestaurant, in dem man auch noch sehr gut speisen konnte, als ein geeignetes Mittel erschien. Der Schlosshof jedoch lag still und dunkel da, unter großen Bäumen, kein Restaurantschild war mehr zu sehen, und alle Fenster und Türen waren verschlossen.
Nur in einem Seitenflügel brannte Licht, und man hörte leise Geräusche durch die offenstehende obere Hälfte einer Holztüre, wie man sie aus Pferdeställen kennt. Dahinter verbarg sich jedoch kein Pferd, wie das lyrische Ich dieses Textes sah, nachdem es aus dem Wagen gestiegen war und sich zaghaft, in der Hoffnung, vielleicht ein paar Informationen ergattern zu können, der Türe näherte, sondern ein riesiger Raum mit Holzbalken und alten Möbeln und Teppichen, in dessen Mitte eine blonde Dame mittleren Alters, ganz in Schwarz gekleidet und mit edlem Schmuck behangen, auf einem Fauteuil lag und eine Fernsehsendung mit Gregor Gysi verfolgte. Das war dann wohl das Burgfräulein.
Das lyrische Ich dieses Textes klopfte zaghaft an den Türrahmen und fragte leise, ob es wohl einmal kurz stören dürfe, hier hatte es doch mal ein Restaurant gehabt, wo dies denn hin verschwunden sei. Das Burgfräulein erschreckte kurz, fasste sich jedoch schnell und kam rasch zur Türe, um dann in gewählten Worten und sehr freundlich Auskunft zu geben, welche im Eigentlichen nur darin bestand, dass es eben schon lange kein Restaurant mehr gäbe, hier. Da ihm das Burgfräulein qualifiziert genug erschien, in solcherart Dingen firm zu sein, wovon schon das kleine Bäuchlein kündete, das sich unter seinem Strenesse-Pullover abzeichnete, fragte das lyrische Ich dieses Textes es daraufhin forsch, ob es denn vielleicht von einer Restauration in der Nähe wüsste, in der einem gute rheinische Kost aufgetragen würde. Dies bejahte das Burgfräulein halbwegs freudig und schickte die beiden Reisenden drei Orte weiter, zurück, rheinaufwärts, hierhin.
Und siehe da, das Burgfräulein hatte mehr als recht. Gegenüber von Andernach, dem Geburtsort Charles Bukowskis, der sich am anderen Ufer unter eine abstruse Science-Fiction-Autobahntrasse kauerte, die man in übermenschlicher Anstrengung auf riesigen Betonpfeilern in den Berghang konstruiert hatte, kamen unsere beiden Reisenden endlich zur Ruhe und durften sich an riesigen Portionen rheinischer Hausmannskost laben, nicht ohne vorher von einer älteren Dame in der Ecke entrüstet auf die örtliche Trinketikette hingewiesen worden zu sein, nachdem das lyrische Ich dieses Textes es gewagt hatte, ein zuckerhaltiges Erfrischungsgetränk zu seinem Winzersteak bestellen zu wollen. Kaum war dies ausgesprochen, kam von einem Tisch im hinteren Bereich des Gastraumes ein Schrei: „Was?! Cola?! Hier, im Rheinland?! Zum Winzersteak?!“ Die Dame hatte natürlich völlig recht, das lyrische Ich dieses Textes neigte reumütig sein Haupt und bestellte schnell eine Weißweinschorle, denn zur Not gab es ja schließlich auch Taxis. Doch davon ein anderes Mal.
Nur mal so am Rande: Wussten Sie eigentlich, dass das Hotel Raphael, in dem Wes Anderson im Jahre 2007 wiederum sein „Hotel Chevalier“ drehte, eben exakt jene Herberge ist, auf dessen Dach Ernst Jünger am 27. Mai 1944 dem Bombardement von Paris durch die englische Luftwaffe beiwohnte, ein Glas mit Hilfe von Waldfrüchten verfeinerten Rotweines in der Hand?
"Alarme, Überfliegungen. Vom hohen Dache des Raphael sah ich zwei Mal in der Richtung von St. Germain gewaltige Sprengwolken aufsteigen, während Geschwader in großer Höhe davonflogen. Es handelt sich um Angriffe auf die Flußbrücken. Die Art und Aufeinanderfolge der gegen den Nachschub gerichteten Maßnahmen deutet auf einen feinen Kopf. Beim zweiten Male, bei Sonnenuntergang, hielt ich ein Glas Burgunder, in dem Erdbeeren schwammen, in der Hand. Die Stadt mit ihren roten Türmen und Kuppeln lag in gewaltiger Schönheit, gleich einem Blütenkelche, der zu tödlicher Befruchtung überflogen wird."
Ernst Jünger - Strahlungen
Das lyrische Ich dieses Textes hier sagte kürzlich zu einem durchreisenden Besucher, dass es in Sachen „Umgang mit den Dingen und überhaupt“ nun eben einfach ganz pragmatisch mit Rainald Goetz gehen würde und auch zu gehen habe, man wisse schon, „Cry, don’t work“ und so. Weder das lyrische Ich noch der durchreisende Besucher stutzen daraufhin ob einer gewissen Unstimmigkeit, die dem Ausgesprochenen innewohnte, was wohl daran lag, dass in diesem Falle Sigmund Freud zur Abwechslung dann wohl doch einmal recht behielt, weswegen natürlich und naturgemäß weder eine Inversion des Gesagten noch ergo Richtigstellung des Zitates notwendig waren.
[...] There is more truth in the mask we wear, in the game we play, in the 'fiction' we obey and follow, than in what is concealed beneath the mask. [...]
Slavoj Zizek
Oh Danny boy, the pipes, the pipes are calling
From glen to glen, and down the mountainside
The summer's gone, and all the roses falling
'Tis you, 'tis you must go and I must bide
But come ye back when summer's in the meadow
Or when the valley's hushed and white with snow
'Tis I'll be here in sunshine or in shadow
Oh Danny boy, oh Danny boy, I love you so
Come, come, atom bomb
If we one day
ever become like them
Feels like everyone is older now
and look after each other
They have gone to live their lives
and God knows, I have to live mine
I'm standing in the Vasa park
watching boys and girls walk through the love grove
I would trade place with any of them in a second
if I could
Everyone is older now
and look after each other
They have the clouds in their arms
and you write words like Murder in the hand
Come, come, Armageddon
if we one day
ever become like them
Håkan Hellström - Atom Bomb
Hamish Morrison
Hatje Cantz
Facebook
[...] Statt uns doch nur misszuverstehen, möchte ich, dass wir das Ungenügende auch ungenügend fassen, aber systematisch. In dieser Annahme oder Folgerung stimmen wir überein. Was unwidersprochen bleibt, ist eine gemeinsame Behauptung. Es erscheint einem unangemessen und im Grunde schämt man sich, etwas als einzelner, gerade jetzt auszusprechen, denn entweder ist es falsch oder es hätte auch von einem anderen gesagt werden können. Wer was wann sagt, verdankt sich besonderen Umständen, die aber mit dem, was uns an Charakter und Situation einsichtig ist, nicht viel zu tun haben. Das Verhältnis ist ungünstiger, als wenn man sich bei der synthetischen Nachbildung eines Geschmacks mit wenigen Komponenten begnügt. Nur haben wir die echten nie erfahren. [...]
Ingo Niermann - Die Zucht