Kürzlich begab es sich, dass das lyrische Ich dieses Textes und sein Berliner Gast zu einer Burg fuhren, die in den Hügeln über dem Nachbarort zwischen Weinbergen thront, gelblich und ein wenig heruntergekommen, aber immer noch sehr märchenhaft, und die eigentlich auch gar keine Burg ist, sondern ein Schloss. Die beiden fuhren dorthin, weil das lyrische Ich dieses Textes dunkel in Erinnerung hatte, dass es dort ein Restaurant gäbe, von dessen Terrasse aus man das ganze Tal überblicken konnte, und es wollte seinen Berliner Gast schließlich ein wenig beeindrucken, wozu ihm ein solches Schlossrestaurant, in dem man auch noch sehr gut speisen konnte, als ein geeignetes Mittel erschien. Der Schlosshof jedoch lag still und dunkel da, unter großen Bäumen, kein Restaurantschild war mehr zu sehen, und alle Fenster und Türen waren verschlossen.
Nur in einem Seitenflügel brannte Licht, und man hörte leise Geräusche durch die offenstehende obere Hälfte einer Holztüre, wie man sie aus Pferdeställen kennt. Dahinter verbarg sich jedoch kein Pferd, wie das lyrische Ich dieses Textes sah, nachdem es aus dem Wagen gestiegen war und sich zaghaft, in der Hoffnung, vielleicht ein paar Informationen ergattern zu können, der Türe näherte, sondern ein riesiger Raum mit Holzbalken und alten Möbeln und Teppichen, in dessen Mitte eine blonde Dame mittleren Alters, ganz in Schwarz gekleidet und mit edlem Schmuck behangen, auf einem Fauteuil lag und eine Fernsehsendung mit Gregor Gysi verfolgte. Das war dann wohl das Burgfräulein.
Das lyrische Ich dieses Textes klopfte zaghaft an den Türrahmen und fragte leise, ob es wohl einmal kurz stören dürfe, hier hatte es doch mal ein Restaurant gehabt, wo dies denn hin verschwunden sei. Das Burgfräulein erschreckte kurz, fasste sich jedoch schnell und kam rasch zur Türe, um dann in gewählten Worten und sehr freundlich Auskunft zu geben, welche im Eigentlichen nur darin bestand, dass es eben schon lange kein Restaurant mehr gäbe, hier. Da ihm das Burgfräulein qualifiziert genug erschien, in solcherart Dingen firm zu sein, wovon schon das kleine Bäuchlein kündete, das sich unter seinem Strenesse-Pullover abzeichnete, fragte das lyrische Ich dieses Textes es daraufhin forsch, ob es denn vielleicht von einer Restauration in der Nähe wüsste, in der einem gute rheinische Kost aufgetragen würde. Dies bejahte das Burgfräulein halbwegs freudig und schickte die beiden Reisenden drei Orte weiter, zurück, rheinaufwärts, hierhin.
Und siehe da, das Burgfräulein hatte mehr als recht. Gegenüber von Andernach, dem Geburtsort Charles Bukowskis, der sich am anderen Ufer unter eine abstruse Science-Fiction-Autobahntrasse kauerte, die man in übermenschlicher Anstrengung auf riesigen Betonpfeilern in den Berghang konstruiert hatte, kamen unsere beiden Reisenden endlich zur Ruhe und durften sich an riesigen Portionen rheinischer Hausmannskost laben, nicht ohne vorher von einer älteren Dame in der Ecke entrüstet auf die örtliche Trinketikette hingewiesen worden zu sein, nachdem das lyrische Ich dieses Textes es gewagt hatte, ein zuckerhaltiges Erfrischungsgetränk zu seinem Winzersteak bestellen zu wollen. Kaum war dies ausgesprochen, kam von einem Tisch im hinteren Bereich des Gastraumes ein Schrei: „Was?! Cola?! Hier, im Rheinland?! Zum Winzersteak?!“ Die Dame hatte natürlich völlig recht, das lyrische Ich dieses Textes neigte reumütig sein Haupt und bestellte schnell eine Weißweinschorle, denn zur Not gab es ja schließlich auch Taxis. Doch davon ein anderes Mal.
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