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Befindlichkeiten


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2004.08.30 | 4:12 pm | Gonzo PERMALINK  |  TRACKBACK
Muss man nicht verstehen

Heute bekam ich Post von Volzotan Smeik. Ein großer brauner Umschlag, darauf vier identische Briefmarken der finkellandschen Reichspost, die eine rosa Rose sowie den geschwungenen Schriftzug „Grüße“ zeigten; darin eine Schachtel Fortuna in einem Plastikgefrierbeutel, auf dieser Schachtel ein Zettel mit dem handgemalten Schriftzug „Öh… Fördunoa“ klebend, in dieser Schachtel zwei plattgedrückte Zigaretten selbiger Marke, ein mehrfach gefaltetes Papiertaschentuch sowie ein undefinierbarer Bollen aus Frischhaltefolie, in dem sich wiederum die zum Papiertaschentuch gehörige Tempo-Plastikverpackung befand, die schlussendlich ein kleines Etwas in sich barg, welches all das erklären und rechtfertigen kann. Da habe ich mich gefreut.

2004.09.02 | 1:10 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Restalkohol betört Gehirnzelle

Nach einem Abend mit zu wenig Pernod und zu viel Plastikflaschenbier sowie Ren’s Gehirn, das selbständig zur Arbeit ging, wünsche ich mich nach Paris, obwohl diese Stadt kaum Erwähnung fand. Aber sie war da. Doch zunächst: eine andere Stadt, nicht in Frankreich, aber dafür auf sieben Hügeln und mit vielen Kirchen. Es ist nicht Rom.

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1 - posted by cato | 2004.09.02 | 1:57 pm

ich hoffe, du hast dir nicht auch eine frühherbstliche grippe zugezogen. zumindest schiebe ich meine kopfschmerzen darauf, denn von dem bisschen pernod wohl kaum…

nun dann: happy happy joy joy!

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2004.09.06 | 4:31 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Tagwerk

Die Steine im Freibad sind still und kühl, lauschen dem, was ich ihnen erzähle, hören freundlich zu. Sie tun so, als ob sie verstehen könnten. Der Tag war lang und voller Strahlungen, war golden, orange und schließlich rot. Der Masseherd kündigt sein Verschwinden hinter der Linie an. Das Wasser der Becken gluckert und kichert, reibt sich an den Rändern, an den Steinen, macht Kacheln an. Im einen, im größeren, behäbig und träge, Dunkelbraun und tiefes Grün, Ockerwasser, durch das sich der Grund selten zeigt. Er versteckt sich und antwortet nicht, schützt Geheimnisse vor, die glauben, mit anderen konkurrieren zu können. Es ist der Fluss der Stadt, der hier durch Schleusen diffundiert, alte Lieder murmelnd. Im anderen Becken ist es klar und rein, glockenhell und chemisch, ist Brillanz und Reflektion, zeigt alles und ist doch nichts. Unter Wasser aber kann man stumme Sirenen singen hören. Überlieferte Weisen und Zeitgenössisches. Ich tauche dort viel und gerne, auch wenn die Noten in den Augen brennen und man sie selten versteht. Auf der Wiese liegend betrachte ich alte Armaturen und Menschen, die sich zwischen ihnen bewegen. Ab und an halte ich Buchstaben vor meine Augen oder zähle Wassertropfen auf meinem Körper. Die Bahnen, die ich zog, sind längst wieder verwischt und die Leichen des Tages treiben an die Oberfläche. Der Bademeister holt sie mit dem Kescher ein, stapelt sie hinter dem Kiosk. Müde und zufrieden verlasse ich die Anlage, eine alte Katze über meiner Schulter. Draußen auf der Wiese faucht ein Brenner Luft und Wärme in seinen Heißluftballon, der sich gemächlich bläht. Welche Variationen von Ballast werden wohl heute über den Dächern niedergehen?

[...] Bald, dank Gurkenscheibenmedizin, sind wir alle jung und schön und kaum noch sterblich, sehen letzten alten Menschen via Satellit beim Aussterben zu und feiern große Parties auf ihren Gräbern. Dann werden wir die Geburt verbieten müssen, sonst wird es zu eng, und wir werden in den Städten wie pensionierte Götter sitzen, uns lustige Spiele ausdenken für den Rest aller Zeit. Vielleicht gewöhnen wir uns aneinander, haben Spaß zusammen. Aber nie, nie werden wir frei sein von Furcht. Denn oben in den Bergen hocken Partisaninnen in den Büschen. Die gebären wild rum. [...]

Helmut Krausser - Spielgeld

2004.09.09 | 2:37 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Alter Junge

Rezension

Lache, und die Welt lacht mit dir; weine, und du weinst allein.

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1 - posted by cato | 2004.09.10 | 8:30 am

mir geht die ganze zeit die sache mit den warmen frauenhänden, die zum sushi-zubereiten unvorteilhaft sind, nicht aus dem kopf.

hach…

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2004.09.10 | 4:39 am | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Nichts als Gespenster I

Die Fahrt geht über Hügel und Berge, an diesem Tag des vorangekündigten Herbstes und sich letztmalig aufbäumendem Sommers, der mit Licht um sich wirft und blendet, was nicht schnell genug wegsehen und sich verschließen kann. Und auch durch sie hindurch. Neben kleinen Dörfern, denen der Tod die Dächer anmalt und grünem Gestrüpp, das sich zu Wäldern formiert, bestimmen immer wieder orange leuchtende Tunnel das, was sich Richtung nennt und dem Weg voraus läuft. Auf dieser Reise in das, was war und das, was ist. Ein Sog entwickelt sich von selbst und ich verstecke nicht meinen Kopf, lasse nicht meine Hände fallen – ich sitze aufrecht und ergebe mich dem Ziehen, während sich meine Haut erwärmt. Unter den Bergen lausche ich den Geräuschen, dem Rauschen und dem Surren, rieche Benzin und Stein im Fahrtwind. Bis die Öffnung wieder blinzeln lässt. Irgendwann dann, nach weißblauen Prestigehimmeln über goldenen Wogefeldern, trägen Bauernpärchen, die am Straßenrand entlang trotten und Ahnungen von Maßkrügen in der Luft, winkt plötzlich die alte Stadt am Horizont und will Ziel genannt werden, die Türme erheben sich über die Dächer und der Motor erstirbt.

2004.09.13 | 5:13 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Das Schweigen dieser Welt

Das ganze Hochhaus ist leer und still und schwankt behäbig selbstgenügsam vor sich hin. Vielleicht summt es sogar, unhörbar. Irgendwo blättert Putz. Draußen kein Wind, die Wolken stehen still, Großformationen verschieben sich zu langsam für das Auge, die Baumspitzen kichern leise. Die Sonne versteckt sich in gerader Linie. Rechts und links davon ein oberflächenpolierter Himmel, von dem sich einzelne Wolkfragmente plastischer als erlaubt abheben. George Lucas hat den Pinsel rausgeholt, man erwartet stündlich fliegende Objekte vor zerfaserndem Hintergrund, matt gemalt, surrend. Ein Blick auf die letzte Szene in „Quiet Earth“. Ich schraube meinen Kopf ab und lege ihn vor mir auf den Schreibtisch, damit er von nahem sehen kann, wie ich mein Herz liebkose. Nach getaner Arbeit gehen wir aufs Dach und warten darauf, dass die Sonne vom Himmel fällt. Zärtlich und leise. Es ist schön hier oben.

2004.09.14 | 2:58 pm | Korrespondenz PERMALINK  |  TRACKBACK
Cette chatte de phonographe

[...] Die Verstimmung, von der wir hier sprechen, ist mehr eine soziale Störung und eine Verwirrung beziehungsweise Verstimmung der Saiten und Stimmen im Kopf. Der Ton springt und steigt in die Höhe, wenn die Stimme des Orakels Sie beiseite nimmt, zu Ihnen in einem Privat-Code spricht, Ihnen Geheimnisse einflüstert, indem sie Ihnen die Ohren aufdeckt und zugleich die Stimme der Vernunft trübt, überdeckt oder stört, welch letztere zu jedem und zu allen in derselben Sprache spricht. [...]

Jacques Derrida - Von einem neuerdings erhobenen apokalyptischen Ton in der Philosophie

2004.09.14 | 3:00 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Nichts als Gespenster II

Als ich in dieser Gasse parke, in der die Betrunkenen nachts Rituale pflegen, hängt ein Zettel an der Haustüre und ich finde V. im Hof, wo er Verstrebungen in Spannrahmen nagelt. Wir rauchen und reden, während die Tiere, die unter den Hügeln wohnen, mit ihren Extremitäten scharren. Die Besitzerin von Lifta, dem Treppenlift, der sich noch immer durch das Treppenhaus windet, betritt die Szenerie, kruschtelt zwischen den Mülltonnen umher und führt Selbstgespräche. Nichts scheint sich verändert zu haben und ich weiß nicht, wie ich mich dabei fühlen soll. Wir gehen zum Wagen, laden mein Gepäck aus und wollen zum Parkplatz fahren. Ich möchte den Warnblinker abschalten und halte den Hebel in der Hand. Die Touristenparade erfreut sich in der folgenden halben Stunde an Bastelarbeiten unter und hinter dem Armaturenbrett, während sie vorüberflaniert, auf üblichen Bahnen, bis schließlich das orange Flackern endet. Abends dann sitzen wir im Atelier, beschnuppern einander, rauchen wieder und trinken dabei. Die Atmosphäre der Stadt presst sich durch alle Ritzen, schlängelt sich durch Worte und Blicke, legt sich auf die Haut, ohne die Poren passieren zu können. Dafür ist die Umchiffrierung der Codes schon zu weit fortgeschritten. Die Vergangenheit hängt im Lampenschirm und blickt auf uns herab, will auf meine Schultern springen, doch ich lasse sie nicht. Irgendwann gibt sie auf, während in der Karaffe das Eis zerschmilzt.

2004.09.17 | 12:45 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Grenzüberschreitung

Gestern Kuchen und Kakao in alten Häusern. Auf der Wand über dem Treppenabsatz vor der Herrentoilette flimmern Videoprojektionen. Eine Gestalt in gelbem Taucheranzug der 20er Jahre, mit vergittertem Messinghelm, tapert durch japanische Popkultur und Geschichte. Danach ein Spaziergang durch den Ilmpark, englisches Wetter über englischer Gartenarchitektur. Schwarzgraue Wolken jagen vorüber und werfen Schattenflecken zwischen grelle Sonnenfelder. Geben dem Idyll der Landschaft ein bisschen Drama. Kein Regen. Die Schafe hängen voller Kletten, eines ist heiser, Goethe hockt im Baum und zählt die Villen auf den Hügeln. Wir fangen keinen Hund. Vor dem schwarzen Kubus ist nun wieder nur eine Spore zu sehen. Hinter einer schwankenden Brücke fallen Lichtstrahlen durch Äste und Staub, verirrter Rest eines Sommertages. Abends liest eine bekannte deutsche Schauspielerin aus den Tagebucheinträgen einer bekannten deutschen Schriftstellerin. Die eine wurde westlich einer Linie geboren, später, die andere östlich dieser Linie, früher. Es folgt ein Film, in dem die Schauspielerin die Schriftstellerin darstellt. Meditationen über das Unbehagen in der Kultur. Wunden in der Betrachtung. Der Versuch, Licht in eine große dunkle Kiste zu bringen, in die Unordnung der Schichten und Ebenen. Das Befremden über die zappelnden Einträge in das Poesiealbum einer aus heutiger, subjektiver Sicht vorgeblich reflektierten Unreflektierten (das macht die Zeit) fernzuhalten von den Dimensionen, die ihre Geschichte als ein Exempel hat, als nachvollziehbares Beispiel für andere. Als Veranschaulichung des Lebens eines sensiblen, denkenden Wesens in diesem Land in dieser Zeit. Als Identifikationsfigur, die hilft, zu verstehen. Hilft, nachzufühlen. Ein schwieriges Unterfangen. Als wir auf die Straßen hinaustreten, ist der Herbst da. Wir können unseren Atem sehen, und zurück in meinem Zimmer prickeln Hände und Füße, als sie die Wärme begrüßen. Wir wünschen uns Mäntel und Handschuhe, nicht nur, um das Wetter abzuhalten.

[...] 23. Januar 1963. Zu beiden Seiten der Autobahn ziehen weiße Landschaften in Richtung der anderen Teile Deutschlands. Wir fahren nun schon einen Tag über diese unwirklichste Straße Europas, eine Straße durch kein Land. Keine Städte, keine Dörfer, nur Schilder, Tankstellen und Rasthäuser. Man hat den Eindruck, man fährt über die Erde, nicht durch einen Staat. Erst bei Helmstedt münden Vergangenheit und Politik in dessen Symbole, Bewacher und Wachposten, Fahnen, Absperrungen, Parolen. Langsam kommen die kleinen Häuser näher, und in der eisigen Luft flattern die Fahnen Amerikas, Englands, Frankreichs. Wie hätte jemand vor dreißig Jahren diese Zukunft einem Deutschen erklären sollen? [...]

Cees Noteboom - Berliner Notizen

2004.09.18 | 9:28 pm | Archiv PERMALINK  |  TRACKBACK
Ab(end)gesang

Ich werde jetzt ausgehen und den Herbst jagen, vielleicht auch ver-, temporär. Oder ihn begrüßen? Man wird sehen. Werde Feuchtigkeit lecken, von Asphalt, von Blättern und später von Hälsen. Flaschenhälse oder andere. Das Bild, das ich mir für den Weg mitnehme, irgendwo auf der Großhirnrinde, sehen wir oben.

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