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zak
Befindlichkeiten


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2004.09.27 | 1:44 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Ferien vom Ich

Ich sitze an einem Tisch, der mit Blumen gedeckt ist und blicke über Dächer, die der Regen grau färbt. Die großen silbernen Abluftrohre gegenüber neigen ihre Häupter in Demut, kein Wind befreit den Wetterhahn auf St. Martin aus seiner unbequemen Position. Vielleicht ist er auch festgerostet. Das Meer hat nichts gesagt, das musste es auch nicht, die Menschen dieses Wochenendes haben für sich selbst gesprochen, waren ihr eigener Kommentar. Ihre Bewegungen bildeten hilflose Muster im Gefüge der Zeit, welche die Selbige schlussendlich in sich zusammenfallen und sich selbst verschlingen lassen werden. Wonach nichts mehr existieren kann. Leichte Vorboten waren schon in diesen Tagen zu spüren, immer wieder mal zitterte und schwankte diese Blase aus Anachronismen, die sich über Campingplätze und Dünen schob, notdürftig stabilisiert von Massefeldern aus Ignoranz und Stagnation. Menschliches, allzu Menschliches. Auf dem Heimweg war mir schlecht, nicht nur ob all der Fritten.

2004.09.24 | 5:50 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Heimatkunde

Heute Nacht habe ich wieder die Züge durch das dunkle Tal rauschen hören, Schallwellen, die sich an den Hängen brechen. Mich an Dinge erinnern, die noch zu tun sind, unvollendet, aufgeschoben. An die Angst davor, das Falsche zu behalten, zu pflegen als Schoßhund der Realität, und das Richtige zu vergessen, stehen zu lassen in der Abstellkammer der eigenen Unzulänglichkeit und Verwirrung. Der alte Fluss wand sich dazu unter dem Nass von oben, unter den Lichtern, die sich in ihm spiegelten, rieb sich an Sandbänken und summte gluckernd Brucknermelodien, die Schlösser auf den Hügeln ignorierend. Vorhin dann Vogelstimmen vor geschlossenen Rollläden, ein Streifen Himmelsblau vor geöffneten. Vorspiegelung falscher Tatsachen. Die Angst hat 24 Stunden geöffnet, der Regen hört nicht auf. Über dem sich bunt färbenden Wald klebt Nebel. Sehen wir, was das Meer dazu sagt.

2004.09.23 | 2:16 pm | Korrespondenz PERMALINK  |  TRACKBACK
Amicalement

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1 - posted by Bietl | 2004.10.01 | 11:00 am

Hab ich schon, aber so Dolles hab ich darin noch nicht lesen können. Doch soviel hab ich darin auch noch nicht gelesen. Mich schreckt ja ab, dass der AS-Verlag die Zeitschrift verlegt. Wegen BILD und so. Meine MeinungsBILDung ist allerdings noch nicht zur Genüge abgeschlossen. Also: Let’s see and talk later.

2 - posted by zak | 2004.10.02 | 12:42 pm

Dazu möchte ich gerne Christian Bartel zitieren: „Der Freund“ ist konsequent teuer, eitel und gespreizt und trotzdem soll man ihn lesen, denn dieses ganze Projekt ist doch so romanhaft schön, umweht von etwas einnehmend Hochstaplerischen: ein vom Bildzeitungsleser finanziertes Kumpelmagazin mit Redaktionssitz in Katmandu.

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2004.09.22 | 6:48 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Nacktmahr

Letzte Nacht um 03.00 Uhr klingelte es und Füsslis Pferd stand vor meiner Tür. Es sagte: „Hallo, mein Lieber, ich hoffe, ich störe nicht. Ich habe noch jemanden mitgebracht, einen alten Freund, der einen Platz für den Rest der Nacht sucht. Ich dachte da spontan an dich, ihr kennt euch ja schon.“ Das Pferd grinste und deutete mit dem Huf neben sich. Vom unteren Treppenabsatz winkte schüchtern der Alp herauf. Nun, was soll man machen, ich bat die beiden herein, das Pferd platzierte sich neben dem Vorhang, der Alp nahm auf meiner Brust platz und hauchte mir ins Gesicht. Für den Rest der Nacht träumte ich von einem Kampfhund, der sich in meiner rechten Hand verbissen hatte und diese auf Stunden nicht mehr losließ, obwohl ich ihn permanent am Gaumen kitzelte; dann war ich plötzlich, ohne im Besitz eines amerikanischen Passes zu sein, auch vom Alter her passte es nicht ganz, G.I. im Vietnamkrieg, wurde gefangen genommen und in ein Lager gebracht, wo es Whirlpools gab und Bungalows, deren Inneneinrichtung exakt so aussah wie die thailändischer Ferienanlagen. Dort sollte ich erschossen werden, wenn ich nicht schnellstmöglich das rote Buch auswendig gelernt hätte, was einem aber niemand sagte. Dr. Death war auch da und mein nicht blutsverwandter Großvater, der einen Herzanfall simulierte, nachdem ich ihn auf sein Abwiegeln hin, dass das ja alles gar nicht schlimm sei, anschrie. Er griff sich an die Brust, fiel hin und als das Wachpersonal zu ihm eilte, sprang er wieder auf wie ein junger Gott, grinste hämisch und winkte zweifingrig das Victory-Zeichen in meine Richtung. Den dritten Teil des Traumes habe ich vergessen, ich glaube, weil der am schlimmsten war, aber als ich aufwachte, trug ich ein weißes Gewand und sah aus wie eine leicht übergewichtige Frau aus dem 18. Jahrhundert. Na toll.

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1 - posted by Maja | 2004.09.28 | 10:28 pm

Hab heute nacht geträumt, ich wurde von meinem Mitbewohner IRREVERSIBEL geschädigt. Hinterlässt also doch alles Spuren. War nicht schön. Manchmal sind Träume grausam.

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2004.09.20 | 12:44 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Bilderfassungen

Am Sonntag waren wir wieder in der Stadt von Kuchen, Kakao und alten Häusern. E. geht nach Aix en Provence (ist wahrscheinlich jetzt schon dort und frühstückt am Platz vor der Kathedrale) und lud zum Abschiedsbrunch in die Planbar. Wir saßen draußen, umgeben von jungen und nicht mehr ganz so jungen, aber immer hippen Einwohnern von Kuchenstadt, mit Blick auf alte Verwaltungsarchitektur. Hunde tollten herum, Kinder lachten und der Wind blies die Marmelade vom Brötchen aber nicht die Wespen aus dem Saft. Wir streckten die Getränke mit Eiswürfeln aus dem Sektkühler. E.’s Mitbewohnerin arbeitet zur Zeit am Set der ZDF-Produktion „Ein Engel für alle“ und hatte diverse Kollegen mitgebracht. Neben mir saß B. vom Ton und erinnerte mich permanent an den unglaublichen Heinz, der immer mal wieder gerne bei Nightwash auftritt. Wie dieser wohnt er in Köln und erzählt gerne lustige Geschichten. Als es sich ausgebruncht hatte, schlenderten wir durch die Stadt und trafen am Marktplatz, auf dem gerade eine Trabbirally vorbereitet wurde, auf den jugendlichen Hauptdarsteller der Serie sowie seinen Berliner Mitbewohner. Die beiden zeigten sich angetan von dem Gedanken an Kakao und Kuchen und versprachen, gleich nachzukommen, ins ACC. Dort angekommen, setzten wir uns nach draußen, auf die Schneidersitzgelegenheiten in Rot, und bestellten. Die gebrachten Spezereien schmeckten schon ein wenig nach Abschied. Dann kam der jugendliche Hauptdarsteller, nebst Berliner Mitbewohner sowie dem zweiten Hauptdarsteller, einem bekannten deutschen Schauspieler, dessen Vorname identisch mit dem Namen einer norddeutschen Biersorte ist, welche vornehmlich aus Dosen konsumiert wird. Dieser brachte E. spontan ein französisches Ständchen auf der Ukulele, nachdem er von ihren Reiseplänen erfuhr, rauchte sich sodann eins mittels einer silbernen Scheckkartenpfeife, die er neben einem bunten Strickschal um den Hals trug und bestellte sich daraufhin eine Kürbiskernsuppe sowie einen Liter Apollinaris, um sich körperlich und mental auf die Wellnessangebote des Hotels vorzubereiten. Der jugendliche Hauptdarsteller und sein Berliner Mitbewohner bevorzugten zu diesem Zwecke den Gebrauch einer Sportzigarette und diverser Flaschen Staropramen. So verging der Nachmittag und schließlich musste E. tatsächlich gehen. Man küsste und drückte sich und winkte und versuchte sich mit dem Gedanken zu trösten, dass sie ja schließlich nicht nach Abu-Dhabi geht. Obwohl es dort auch schön ist. Nachdem sich dann auch die anderen verabschiedet hatten, um dem Ruf der Wellness zu folgen, gingen wir mit B. in die erste Etage, am Taucheranzugmann vorbei, um uns zur Ablenkung vakuumisieren zu lassen und japanisches Minigolf zu spielen, bis es dunkel wurde.

2004.09.18 | 9:28 pm | Archiv PERMALINK  |  TRACKBACK
Ab(end)gesang

Ich werde jetzt ausgehen und den Herbst jagen, vielleicht auch ver-, temporär. Oder ihn begrüßen? Man wird sehen. Werde Feuchtigkeit lecken, von Asphalt, von Blättern und später von Hälsen. Flaschenhälse oder andere. Das Bild, das ich mir für den Weg mitnehme, irgendwo auf der Großhirnrinde, sehen wir oben.

2004.09.17 | 12:45 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Grenzüberschreitung

Gestern Kuchen und Kakao in alten Häusern. Auf der Wand über dem Treppenabsatz vor der Herrentoilette flimmern Videoprojektionen. Eine Gestalt in gelbem Taucheranzug der 20er Jahre, mit vergittertem Messinghelm, tapert durch japanische Popkultur und Geschichte. Danach ein Spaziergang durch den Ilmpark, englisches Wetter über englischer Gartenarchitektur. Schwarzgraue Wolken jagen vorüber und werfen Schattenflecken zwischen grelle Sonnenfelder. Geben dem Idyll der Landschaft ein bisschen Drama. Kein Regen. Die Schafe hängen voller Kletten, eines ist heiser, Goethe hockt im Baum und zählt die Villen auf den Hügeln. Wir fangen keinen Hund. Vor dem schwarzen Kubus ist nun wieder nur eine Spore zu sehen. Hinter einer schwankenden Brücke fallen Lichtstrahlen durch Äste und Staub, verirrter Rest eines Sommertages. Abends liest eine bekannte deutsche Schauspielerin aus den Tagebucheinträgen einer bekannten deutschen Schriftstellerin. Die eine wurde westlich einer Linie geboren, später, die andere östlich dieser Linie, früher. Es folgt ein Film, in dem die Schauspielerin die Schriftstellerin darstellt. Meditationen über das Unbehagen in der Kultur. Wunden in der Betrachtung. Der Versuch, Licht in eine große dunkle Kiste zu bringen, in die Unordnung der Schichten und Ebenen. Das Befremden über die zappelnden Einträge in das Poesiealbum einer aus heutiger, subjektiver Sicht vorgeblich reflektierten Unreflektierten (das macht die Zeit) fernzuhalten von den Dimensionen, die ihre Geschichte als ein Exempel hat, als nachvollziehbares Beispiel für andere. Als Veranschaulichung des Lebens eines sensiblen, denkenden Wesens in diesem Land in dieser Zeit. Als Identifikationsfigur, die hilft, zu verstehen. Hilft, nachzufühlen. Ein schwieriges Unterfangen. Als wir auf die Straßen hinaustreten, ist der Herbst da. Wir können unseren Atem sehen, und zurück in meinem Zimmer prickeln Hände und Füße, als sie die Wärme begrüßen. Wir wünschen uns Mäntel und Handschuhe, nicht nur, um das Wetter abzuhalten.

[...] 23. Januar 1963. Zu beiden Seiten der Autobahn ziehen weiße Landschaften in Richtung der anderen Teile Deutschlands. Wir fahren nun schon einen Tag über diese unwirklichste Straße Europas, eine Straße durch kein Land. Keine Städte, keine Dörfer, nur Schilder, Tankstellen und Rasthäuser. Man hat den Eindruck, man fährt über die Erde, nicht durch einen Staat. Erst bei Helmstedt münden Vergangenheit und Politik in dessen Symbole, Bewacher und Wachposten, Fahnen, Absperrungen, Parolen. Langsam kommen die kleinen Häuser näher, und in der eisigen Luft flattern die Fahnen Amerikas, Englands, Frankreichs. Wie hätte jemand vor dreißig Jahren diese Zukunft einem Deutschen erklären sollen? [...]

Cees Noteboom - Berliner Notizen

2004.09.14 | 3:00 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Nichts als Gespenster II

Als ich in dieser Gasse parke, in der die Betrunkenen nachts Rituale pflegen, hängt ein Zettel an der Haustüre und ich finde V. im Hof, wo er Verstrebungen in Spannrahmen nagelt. Wir rauchen und reden, während die Tiere, die unter den Hügeln wohnen, mit ihren Extremitäten scharren. Die Besitzerin von Lifta, dem Treppenlift, der sich noch immer durch das Treppenhaus windet, betritt die Szenerie, kruschtelt zwischen den Mülltonnen umher und führt Selbstgespräche. Nichts scheint sich verändert zu haben und ich weiß nicht, wie ich mich dabei fühlen soll. Wir gehen zum Wagen, laden mein Gepäck aus und wollen zum Parkplatz fahren. Ich möchte den Warnblinker abschalten und halte den Hebel in der Hand. Die Touristenparade erfreut sich in der folgenden halben Stunde an Bastelarbeiten unter und hinter dem Armaturenbrett, während sie vorüberflaniert, auf üblichen Bahnen, bis schließlich das orange Flackern endet. Abends dann sitzen wir im Atelier, beschnuppern einander, rauchen wieder und trinken dabei. Die Atmosphäre der Stadt presst sich durch alle Ritzen, schlängelt sich durch Worte und Blicke, legt sich auf die Haut, ohne die Poren passieren zu können. Dafür ist die Umchiffrierung der Codes schon zu weit fortgeschritten. Die Vergangenheit hängt im Lampenschirm und blickt auf uns herab, will auf meine Schultern springen, doch ich lasse sie nicht. Irgendwann gibt sie auf, während in der Karaffe das Eis zerschmilzt.

2004.09.14 | 2:58 pm | Korrespondenz PERMALINK  |  TRACKBACK
Cette chatte de phonographe

[...] Die Verstimmung, von der wir hier sprechen, ist mehr eine soziale Störung und eine Verwirrung beziehungsweise Verstimmung der Saiten und Stimmen im Kopf. Der Ton springt und steigt in die Höhe, wenn die Stimme des Orakels Sie beiseite nimmt, zu Ihnen in einem Privat-Code spricht, Ihnen Geheimnisse einflüstert, indem sie Ihnen die Ohren aufdeckt und zugleich die Stimme der Vernunft trübt, überdeckt oder stört, welch letztere zu jedem und zu allen in derselben Sprache spricht. [...]

Jacques Derrida - Von einem neuerdings erhobenen apokalyptischen Ton in der Philosophie

2004.09.13 | 5:13 pm | Ich >< Welt PERMALINK  |  TRACKBACK
Das Schweigen dieser Welt

Das ganze Hochhaus ist leer und still und schwankt behäbig selbstgenügsam vor sich hin. Vielleicht summt es sogar, unhörbar. Irgendwo blättert Putz. Draußen kein Wind, die Wolken stehen still, Großformationen verschieben sich zu langsam für das Auge, die Baumspitzen kichern leise. Die Sonne versteckt sich in gerader Linie. Rechts und links davon ein oberflächenpolierter Himmel, von dem sich einzelne Wolkfragmente plastischer als erlaubt abheben. George Lucas hat den Pinsel rausgeholt, man erwartet stündlich fliegende Objekte vor zerfaserndem Hintergrund, matt gemalt, surrend. Ein Blick auf die letzte Szene in „Quiet Earth“. Ich schraube meinen Kopf ab und lege ihn vor mir auf den Schreibtisch, damit er von nahem sehen kann, wie ich mein Herz liebkose. Nach getaner Arbeit gehen wir aufs Dach und warten darauf, dass die Sonne vom Himmel fällt. Zärtlich und leise. Es ist schön hier oben.

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